Ablaut

Die Bezeichnung A. geht auf Jacob Grimm (Deutsche Grammatik 1840) zurück und beschreibt den regelmäßigen Wechsel von Vokalen in etymologisch zusammengehörigen Wörtern, Wortformen oder Wortteilen. Die Ursachen für diesen geregelten, nicht kombinatorisch bedingten Vokalwechsel werden meist in den Akzentverhältnissen, d.h. der Wirkung des dynamischen (exspiratorischen) Akzentes (→ Akzent) oder des musikalischen Akzentes, im Indogermanischen (→ Indogermanisch) gesehen. (Vgl. u.a. H. Paul 1998, 50; M. Mettke 1993, 51 und W. Schmidt 2013, 36 und 291; eine andere Auffassung vertreten z.B. O. Szemerényi 1980 oder G. Lerchner 1983, die einen Einfluss der lautlichen Umgebung annehmen.) Erst im Laufe der Sprachentwicklung wurden die ursprünglichen Allophone (→ Allophon) phonemisiert und übernahmen morphematische Funktion. Im Deutschen dient der A. der Formenbildung bei den starken Verben (z. B. trinken - trank - getrunken) sowie der → Wortbildung (z. B. Trank, Trunk). Zwei Arten des A. können unterschieden werden: 

  1. Der quantitative Ablaut, vermutlich im Indogermanischen durch den dynamischen Akzent hervorgerufen, tritt in vier Stufen auf: der Grundstufe (auch Normal-, Hoch- oder Vollstufe) in normaler Betonung als Kurzvokal, der Dehnstufe als Langvokal mit starker Betonung, der Tief- oder Reduktionsstufe mit schwach betontem langen Grundstufenvokal (als → schwa-Laut) und schließlich als Schwundstufe (Nullstufe) mit Wegfall des Vokals aufgrund fehlender Betonung. Das Lateinische bildet bspw. mit Hilfe des quantitativen A. aus dem Infinitiv tégere (mit kurzem Stammvokal) das Substantiv têgula (mit langem Stammvokal).
  2. Der qualitative Ablaut, vermutlich im Indogermanischen durch den musikalischen Akzent hervorgerufen, tritt in zwei Abtönungen als Hoch- und Tiefton auf, die sich durch die Artikulationsstelle voneinander unterscheiden. Am häufigsten ist im Indogermanischen der Wechsel von e - o, seltener der von a - o. Auf diese Weise sind das lat. Verb tégere und das Substantiv tôga stammverwandt. Quantitativer sowie qualitativer A. bilden in Verbindung mit bestimmten Folgekonsonanten relativ feste Ablautsysteme, durch die sich u. a. die starken Verben des Deutschen zu Ablautreihen gruppieren lassen.

Lit.: Bergmann, R./ Pauly, P. / Moulin, C., Alt- und Mittelhochdeutsch. 62004, S. 60. Grimm, J., Deutsche Grammatik, Bd.1, 3. Ausg. 1840. Mettke, H., Mittelhochdeutsche Grammatik, 7., unv. Aufl., 1993. Paul, H., Mittelhochdeutsche Grammatik, 24. Aufl., überarb. Von P. Wiehl und S. Grosse. 1998. Schmidt, W., Geschichte der deutschen Sprache, Ein Lehrbuch für das germanistische Studium, verb. und erw. Aufl., fortgeführt von H. Langner, hrsg. von E. Berner und N. R. Wolf 112013. Schweikle, G., Germanisch - deutsche Sprachgeschichte im Überblick. verb. und erw. Aufl. 41996. Szemerényi, O., Einführung in die vergleichende Sprachwissenschaft, überarb. Aufl. ²1980. UF

Letzte Änderung: 17.01.2024 - Ansprechpartner: Webmaster