Abschiedsformel

In der linguistischen Gesprächsforschung ( Gesprächsanalyse) der Ausdruck eines sprachlichen, rituellen Musters, das als (Teil einer) Abschiedshandlung verwendet wird. Abschiedsformeln fungieren, oft im Zusammenhang mit nonverbalen, rituellen Verhaltenselementen, als deutlichste Signale zur Beendigung der Kommunikationshandlung. Sie definieren – wie Grußformeln im allgemeinen - die sozialen Beziehungen der Gesprächspartner und sind dabei abhängig von den Bedingungen der Gesprächssituation (Schriftlichkeit/Mündlichkeit, Ort, Zeit, Intention, Thema, Formalisiertheit der Kommunikationssituation) sowie den gewählten Kommunikationsstilen und sprachlichen Registern. Daraus resultiert sowohl intra- als auch interkulturell eine außerordentliche Vielfalt verschiedener Formen und Typen (im Briefverkehr z.B.: Ich verbleibe als Ihr ...; Hochachtungsvoll/mit vorzüglicher Hochachtung; mit besten/freundlichen/herzlichen Grüßen; in mündlichen Gesprächssituationen z.B.: weersiens;bye bye; güle güle; adieu; sayōnara; zàijiàn). Häufig wird dabei zwischen sozialer Nähe und Distanz unterschieden, vgl. auf Wiedersehen – tschüss; arrivederci – ciao; до свидания - пока, oder man signalisiert die Erwartung eines längeren oder kürzeren Zeitraums bis zum Wiedersehen: farewell – good bye; adiós – hasta luego. Zuweilen können speziellere Wünsche als besonders freundlich bzw. höflich gemeinte ritualisierte Abschiedsfloskeln hinzutreten (oder die üblichen Formeln sogar ersetzen): Dt.: Mach’s gut!; Fahr vorsichtig!, Kommen Sie gut nach Haus! Engl.: Take care! Chin.: Màn màn zǒu! (wörtlich: ‘Gehen Sie langsam!’). Die Verbreitung von Abschiedsformeln wird heute u.a. durch medial vermittelte Vorbilder und intersprachliche bzw. interkulturelle Kontakte wesentlich beschleunigt. Sie unterliegen darüber hinaus – diachron ( Diachronie, diachronische Sprachwissenschaft) gesehen – in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Veränderungen einem raschen Wandel. 

Mündlichkeit, Gesprächssituation, Grußformel 

Lit.: Brinker, K./Sager, S.F., Linguistische Gesprächsanalyse. Eine Einführung. 32001. Henne, H./Rehbock, H., Einführung in die Gesprächsanalyse. 42001. Lüger, H.H., Sprachliche Routinen und Rituale. 1992. Ders., Routinen und Rituale in der Alltagskommunikation. 1993. Otterstedt, C., Abschied im Alltag. Grußformen und Abschiedsgestaltung im interkulturellen Vergleich. 1993. Werlen, I., Rituelle Muster in Gesprächen. In: Brinker, K./Antos, G./Heinemann, W./Sager, Sven F. (Hrsg.): Text- und Gesprächslinguistik. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 2. Halbbd. 2001, 1263-1278. JV

Letzte Änderung: 17.01.2024 - Ansprechpartner: Webmaster