Alphabetisierung

  1. Bildungspolitische Strategie, die darauf gerichtet ist, die innerhalb, aber auch die außerhalb der eigenen Gesellschaft lebenden Analphabeten bei der Entwicklung von Lese- und Schreibkompetenzen gezielt zu unterstützen.

    In der Regel lassen sich drei unterschiedliche Formen des
    Analphabetismus unterscheiden:

    Menschen ohne jegliche Lese- und Schreibkenntnisse verfügen über einen natürlichen bzw. auch primären Analphabetismus. Verkümmern einmal erworbene Lese- und Schreibkenntnisse aufgrund mangelnder Lese- und Schreibtätigkeiten, liegt ein sekundärer Analphabetismus vor, dem eine Re-Alphabetisierung folgen muss. Eine dritte und recht häufig vorkommende Form des Analphabetismus ist der funktionale Analphabetismus, für den kennzeichnend ist, dass die individuellen Lese- und Schreibkenntnisse weit unter dem zu einer bestimmten Zeit gesellschaftlich anerkannten Anforderungsniveau liegen. In der BRD liegt die Analphabetenrate bei etwa 6% der Gesamtbevölkerung (ca. fünf Mio. Menschen). Weltweit leben laut UNESCO-Weltbildungsbericht 2011 ca. 796 Mio. Menschen ohne vorhandene Lese- und Schreibkompetenzen. Als besondere Problemländer bzw. -regionen gelten Süd- und Westasien, die arabischen Staaten sowie die südlich der Sahara liegenden afrikanischen Staaten. Betroffen sind vor allem die von jeglicher Schulbildung ausgeschlossenen Kinder, aber auch Frauen, deren Anteil am Analphabetismus zwei Drittel beträgt. Da Analphabetismus in hochentwickelten Gesellschaften den Ausschluss des Individuums aus dem Alltags- und vor allem aus dem Berufsleben zur Folge hat, entwickeln die Betroffenen Strategien unterschiedlichster Art, um dieses Defizit möglichst unentdeckt zu lassen. Insofern muss in statistischen Erhebungen von einer zusätzlichen Dunkelziffer ausgegangen werden.
  2. Im Fremd- bzw. Zweitsprachunterricht die gezielte Ausbildung Schriftunkundiger (d.s. Analphabeten der entsprechenden Zielsprache sowie Analphabeten der Zielsprache, die auch in ihrer Muttersprache Analphabeten sind) im Gebrauch der lateinischen Schrift, weil diese noch nicht oder nur noch unzureichend für die zielsprachliche Kommunikation genutzt werden kann. Methodische Ansätze wie der Spracherfahrungsansatz, der sprachsystematische oder der Fähigkeitenansatz können für Lehr- und Lernprozesse erfolgreich genutzt und miteinander kombiniert werden.
  3. Die Verschriftlichung einer bisher schriftlosen Sprache.
  4. Die Umstellung eines Schriftsystems auf Alphabetschrift.

Alphabet, Analphabetismus, Alphabetschrift

Lit.: Biere, B.U., Schrift-Los. Analphabetismus in Deutschland. In: Sprachreport 9, Heft 2, 1993, 1f. Döbert, M./Hubertus, P., Ihr Kreuz ist die Schrift. 2000. Dürscheidt, Chr, Einführung in die Schriftlinguistik. Grundlagen und Theorien. 32006 (= Studienbücher zur Linguistik 8). Egloff, B., Biografische Muster funktionaler Analphabeten. 1997. Knoop, U., Entwicklung von Literalität und Alphabetisierung in Deutschland. In: Günther, L./Ludwig, O. (Hrsg.), Schrift und Schriftlichkeit. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung. 1. Halbbd. 1994, 859-872. Nickel, S., Prävention von Analphabetismus: vor, in, nach und neben der Schule. In: Alpha-Forum 47.2001, 7-11. Schuppener, G., Alphabetisierung Erwachsener. In: Knapp, K. (Hrsg.) et al., Angewandte Linguistik. Ein Lehrbuch. 2004, 26-35. AJ

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