analytischer Satz

Auch: analytisches Urteil.

1. In der → Semantik im weiteren Sinne ein Satz, in dem die Bedeutung des Prädikatsausdrucks in der des Subjektausdrucks bereits enthalten ist (aber nicht aufgrund von epistemologischer Notwendigkeit, sondern infolge einer Konvention) und der deswegen immer wahr ist. In dem Satz Junggesellen sind unverheiratet bilden die semantischen Merkmale (→ Sem) des Prädikats unverheiratet eine Teilmenge der semantischen Merkmale des Subjekts Junggesellen.

2. In der Erkenntnistheorie ein Satz, dessen Prädikat „versteckter Weise“ im Subjekt enthalten ist; z.B. ist für I. Kant Alle Körper sind ausgedehnt ein a.S. oder auch „Erläuterungsurteil“, weil in ihm „durch das Prädikat nichts zum Begriff des Subjekts hinzugetan, sondern dieser „nur durch Zergliederung in seine Teilbegriffe“ zerlegt wird, „die in selbigem schon (obgleich verworren) gedacht waren“ (vgl. Kant, KRV, A 7/B 11f.). In diesem Sinne liegt ein a.S. dann vor, wenn ein Begriff durch einen anderen erläutert wird, der denknotwendig in ihm enthalten, so dass der betreffende Satz in jeder möglichen Welt wahr ist. Ein Körper ohne Ausdehnung wäre schlechthin nicht denkbar (→ contradictio in adiecto). Der Satz Alle Körper sind schwer ist für Kant jedoch nicht analytisch, sondern „synthetisch“, weil die Prädikation der Schwere dem Begriff Körper ein Merkmal hinzufügt, das nicht notwendigerweise in ihm enthalten ist (weil es ja vom Vorhandensein von Anziehungskräften abhängt). – Im Ggs. zu synthetischen Urteilen (→ synthetischer Satz) wie z.B. Erfahrungsurteilen, deren Wahrheit auf (empirischen) Fakten beruht, liefern analytische Sätze bzw. analytische Urteile – wie auch Tautologien (→ Tautologie (2)) – keinen eigentlichen Erkenntnisgewinn, zumindest nicht für denjenigen, der die Bedeutungen der im a.S. enthaltenen Wörter bereits kennt. Ob eine Aussage allerdings analytisch ist, hängt vom System ab, in dem sie vorkommt, denn zunächst synthetische Urteile können sich im Laufe der Entwicklung ohne Rückgriff auf Empirie als selbstverständlich behaupten lassen (vgl. G.W. Leibniz’ Unterscheidung zwischen „Vernunftwahrheiten“ und „Tatsachenwahrheiten“, vgl. Krämer 2009). Nach W.v.O. Quine handelt es sich bei der Unterscheidung analytisch/synthetisch um eines der Dogmen des Empirismus: „Analytizität schien zuerst [...] unter Berufung auf den Bereich des Sinns definierbar zu sein. Nach genauerem Hinsehen gab diese Berufung den Weg frei zur Berufung auf die Synonymität oder Definition. Die Definition erwies sich als ein Irrlicht, die Synonymität aber bestenfalls unter vorheriger Berufung auf die Analytizität selber verständlich. So sind wir auf dem Problem der Analytizität sitzen geblieben“ (1972, 180). Dem a.S. entspricht in der Philosophie Wittgensteins der „grammatische Satz“ (1984, § 251; vgl. dazu Stetter 1974, 80ff.; Burkhardt 1978).

→ Bedeutung, → Begriff, → grammatischer Satz

Lit.: Burkhardt, A., Bedeutungs- und Grammatikbegriff bei Ludwig Wittgenstein. In: ZGL 6.1978, 47-61.Carnap, R., Beobachtungssprache und theoretische Sprache. In: Dialectica 12.1958, 236–248. Katz J.J., Philosophie der Sprache. 1970. Kant, I., Kritik der reinen Vernunft. Werke in 12 Bänden. Hrsg. von W. Weischedel. Bd. 3. 1968. Krämer, S., Tatsachenwahrheiten und Vernunftwahrheiten (§§ 28-37). In: Busche, H., Gottfried Wilhelm Leibniz. Monadologie. 2009, 95-113. Kripke, S., Naming and necessity. In: Davidson, D./Harman, G. (Hrsg.), Semantics of Natural Language. 1972, 253–355. dt. Name und Notwendigkeit. 1981. Leinfellner, W., Einführung in die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. 31980. Linsky, L., Analytic/synthetic and semantic theory. In: Davidson, D./Harman, G. (Hrsg.), Semantics of Natural Language. 1972, 473-483. Quine, W.v.O., Two Dogmas of Empiricism (1951); dt. in: Sinnreich J. (Hrsg.), Philosophie der idealen Sprache. 1972, 167-194. Stetter, Chr., Sprachkritik und Transformationsgrammatik. 1974. Vasiliu, E., Analytic sentences in natural languages. In: Revue Roumaine de linguistique 13.1968, 529-539. Weingartner, P. (Hrsg.), Deskription, Analyzität und Existenz. 1966. Wittgenstein, L., Philosophische Untersuchungen. In: Ders., Werkausgabe. Bd. 1. 1984, 225ff. L/AB

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