Begriff

  1. In der philosophischen Sprache seit der Aufklärung (Chr. Thomasius, Chr. Wolff) die (abstrakte, sprachunabhängige) Vorstellung oder Idee, so z.B. bei I. Kant: „Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe. Begriffe aber beziehen sich, als Prädikate möglicher Urteile, auf irgend eine Vorstellung von einem noch unbestimmten Gegenstande“ (Kritik der reinen Vernunft, B 94), der B. ist „der Anschauung entgegengesetzt; denn er ist eine allgemeine Vorstellung oder eine Vorstellung dessen, was mehreren Objekten gemein ist“ (Logik I, 1 § 1). In ähnlichem Sinne schreibt noch W. von Humboldt: „Unter Wörtern versteht man die Zeichen der einzelnen Begriffe. [...] Es kommt [...] in dem Worte allemal eine doppelte Einheit, des Lautes und des Begriffes, zusammen“ (VII 72). Diese idealistische Konzeption des Begriffs als vor-, außer- oder übereinzelsprachliche Entität hat sich in Philosophie und Sprachwissenschaft z.T. bis in die Gegenwart gehalten (vgl. z.B. Heger 1967) und häufig (schon bei Adelung [1793], Bedeutung) zur Gleichsetzung von Bedeutung und B. geführt. In diesem Sinne bestimmen W. Kamlah/P. Lorenzen den B. als „Bedeutung eines Terminus“ (1996, 87), d.h. als Terminus unter Abstraktion von seiner Lautgestalt (bei S.J. Schmidt [1969] kommt der B. der lexikalischen Bedeutung [ lexikalische Bedeutung (2.)] gleich).
  2. Bei G. Frege „die Bedeutung eines grammatischen Prädikats“ (2002, 67) oder präziser: Begriffe sind „Funktionen mit einem Argument“ (im Ggs. zu den zweistelligen „Beziehungen“; vgl. ebd., 37); doch während ist ein Pferd einen B. darstellt, ist paradoxerweise der metasprachlich ( Metasprache) verwendete B. ‘Pferd’ in dem Satz Der B. ‘Pferd’ ist ein leicht gewinnbarer B. kein B., sondern bedeutet den B. ‘Pferd’ als seinen „Gegenstand“ ( Bedeutung (1), Referent). Zum B. gehören „Umfang“ und „Inhalt“ ( Begriffsumfang, Begriffsinhalt, Extension, Intension), wobei der B. selbst „den logischen Vorrang von seinem Umfange hat“ (1993, 112). Nach dieser (positivistischen) Vorstellung „fallen“ Gegenstände unter Begriffe, obwohl die „Forderung der scharfen Begrenzung der Begriffe“ (ebd., 31) zumindest extensional insofern nicht erfüllbar ist, als in praxi nie im Vorhinein für alle Zukunft entschieden werden kann, welche Gegenstände unter einen B. subsumierbar sind.
  3. In der Wissenschaftstheorie bei H. Seiffert (1969) – im Anschluss an Kamlah/Lorenzen – „das, was übrig bleibt, wenn wir bei einem Terminus von der Lautgestalt absehen und einen beliebigen anderen sprachlichen Ausdruck einsetzen“. Danach stellen etwa Synonyme ( Synonymie) wie Sonnabend und Samstag und die entsprechenden Heteronyme ( Heteronymie) wie engl. saturday oder ital. sabato denselben B. dar. In dieser Betrachtungsweise ist der B. zwar „kein vorsprachliches gedankliches Gebilde“ mehr, sondern „immer an ein Wort gebunden“, bleibt jedoch eine außereinzelsprachliche (und damit zweifelhafte) Entität, indem er als dasjenige definiert wird, was verschiedenen oder wechselnden Lautgestalten gemeinsam ist und insofern identisch bleibt.
  4. Nach A. Schaff die Betrachtung der Bedeutung unter dem Gesichtspunkt der Kognition. Je nachdem, ob an das sich in Wörtern manifestierende „gedanklich-sprachliche Produkt“ der gesellschaftlichen Verhältnisse „von der Seite des Denk- oder des Sprachprozesses“ herangegangen werde, trete es als B. (Begriffsinhalt) oder als Wortbedeutung auf (vgl. Schaff 1973, 252ff.). Die Unterschiede zwischen wissenschaftlichem und alltagssprachlichem B. seien nicht prinzipieller Natur, sondern eher graduell. Im Anschluss an Schaff hat A. Burkhardt (1983) den B. als „eine an Sprache gebundene, sprachlich formulierte und geschichtlich bedingte Vorstellung“ bestimmt, „die wir aufgrund unseres je gegenwärtigen Erkenntnisstands an die uns umgebende Welt herantragen und die die Dinge als die Dinge, die sie für uns sind, jeweils überhaupt erst erscheinen lässt“. Der B. ist danach „die subjektiv-kreative und kognitiv-konstitutive, die Bedeutung die intersubjektive, konservative und kommunikativ-konventionale Seite der Sprache“ (ebd., 74). Wie besonders Beispiele aus den Naturwissenschaften zeigen, wird der auf Gegenstandsadäquatheit und Präzision angelegte wissenschaftliche B. im historischen Prozess immer wieder zum Maßstab für die auf kommunikative Effektivität angelegten und daher häufig ungenauen ( Vagheit) Bedeutungen (vgl. Stenzel 1958, 59f.).
  5. In Alltags- und Wissenschaftssprache oft ungenau als Synonym für Wort bzw. Terminus, und zwar sowohl i.S. der Lautgestalt allein als auch i.S. der Verbindung von Ausdrucks- und Inhaltsseite.

Bedeutung, Bedeutungswandel, Begriffsgeschichte, lexikalische Bedeutung, lexikalische Semantik, Semantik

Lit.: Adelung, J.Chr., Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart. 4 Bde. Bd. 1. 1793. Burkhardt, A., Bedeutung und Begriff. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 37.1983, 68-87. Frege, G., Begriffsschrift und andere Aufsätze. 31988. Ders., Logische Untersuchungen. 41993. Ders., Funktion, Begriff, Bedeutung. 2002. Heger, K., Temporale Deixis und Vorgangsquantität. („Aspekt“ und „Aktionsart“). In: ZRPh 83.1967, 512-582. Humboldt, W.v., Ueber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts. In: Ders., Werke in fünf Bänden. Bd. III. 92002, 368-756. Kamlah, W./Lorenzen, P., Logische Propädeutik. 31996. Kant, I., Kritik der reinen Vernunft. Werke in 12 Bänden. Hrsg. von W. Weischedel. Bd. 3. 1986. Ders., Logik. In: Ders., Werke in 12 Bänden. Hrsg. von W. Weischedel. Bd. 6. 1986, 1-150. Schaff, A., Einführung in die Semantik. 1973. Schmidt, S.J., Bedeutung und Begriff. 1969. Seiffert, H., Einführung in die Wissenschaftstheorie. Bd. 1. 1969. Stenzel, J., Sinn, Bedeutung, Begriff, Definition. 1958. AB

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