Generative Semantik

[engl. Generative semantics), frz. sémantique générative, russ. порождающая семантика/генеративная семантика]

Aus der Kritik am zunächst nur rein syntaktischen, später um eine semantische Komponente erweiterten ( Interpretative Semantik) Ansatz der TG ( generative Transformationsgrammatik) entstandene, von J. McCawley (1968), G. Lakoff (1971) u.a. seit Ende der 1960er Jahre entwickelte linguistische Bedeutungskonzeption, der zufolge den Sätzen einer Sprache auf der Ebene der Tiefenstruktur nicht syntaktische Phrase-Marker, sondern semantische Repräsentationen zugrunde liegen, die über Transformationen in Oberflächenstrukturen überführt werden (vgl. Engelberg 2011, 359ff.). Die Vertreter der Generativen Semantik gehen davon aus, dass sich Satzstrukturen in semantischer Hinsicht mit Hilfe von (universellen) Basisregeln und „atomaren Prädikaten“ beschreiben lassen. Die Bedeutungen der einzelnen Lexeme ( Lexem) lassen sich dabei als komplexe Verbindungen semantischer Grundelemente beschreiben und verbinden sich bei der Satzerzeugung zu immer komplexeren Strukturen. Die in der TG übliche strikte Trennung zwischen syntaktischer, morphologischer und semantischer Komponente kann entfallen, weil in der Generativen Semantik die logisch-semantische Satzform als zugleich grundlegende und zugrundeliegende Struktur angesehen wird. De facto ist jedoch eine aus kleinsten semantischen Elementen kombinierte Tiefenstruktur ebenso eine Chimäre wie die von der TG postulierte syntaktische. Das eigentliche Verdienst der Generativen Semantik im Bereich der lexikalischen Semantik ( lexikalische Semantik) liegt darin, das Prinzip der „lexikalischen Dekomposition“, d.h. die Zerlegbarkeit der Bedeutungen lexikalischer Einheiten in „atomare“ Prädikate systematisch vorgeführt und dabei auch (anders als die strukturelle Semantik) auch solche Lexeme berücksichtigt zu haben, deren Bedeutung sich nicht wie bei Klassenbezeichnungen summativ aus einer Kollektion von Semen ( Sem) ergibt. So lässt sich z.B. das engl. Verb persuade in CAUSE COME ABOUT INTEND oder CAUSE COME ABOUT BELIEVE und kill in CAUSE BECOME NOT ALIVE dekomponieren. Allerdings wurden die stets und notwendigerweise einzelsprachlich (engl.) formulierten atomaren Prädikate zumeist (irrtümlich) als übereinzelsprachliche, d.h. universale Kategorien begriffen. Außerdem ist es nicht allzu schwierig zu zeigen, dass sich die „atomaren Prädikate“ selber wieder in semantisch noch einfachere Einheiten zerlegen lassen.

Lit.: Abraham, W./Binnick, R.I., (eds.), Generative Semantics. 1972. Bartsch, R./ Vennemann, Th., Semantic Structures: A Study in the Relation between Semantics and Syntax. 1972. Engelberg, St. Frameworks of lexical decomposition of verbs. In: Maienborn, C./Heusinger, K. von/Portner, P. (eds.), Semantics. An International Handbook of Natural Language Meaning. Vol. 1. 2011, 356-399. Immler, M., Generative Syntax Generative Semantics. 1974. Katz, J.J., Interpretative semantics vs. Generative semantics. In: Foundations of Linguistics 6 (1970), 220-259. Lakoff, G., On generative semantics. In: Steinberg, D.D./Jakobovits, L.A. (eds.), Semantics. 1971, 232-296. dt. in: Kiefer, F. (Hrsg:), Semantik und Generative Grammatik II. 1972, 305-359. McCawley, J., The role of semantics in grammar. In: Bach, E./Harms, R.T. (eds.), Universals in Linguistic Theory. 1968, 125-171. Seuren, P.A.M. (Hrsg.), Generative Semantics: Semantic Syntax. 1973. AB

Letzte Änderung: 14.02.2019 - Ansprechpartner: Webmaster