Gesprächsschritt

20.03.2018 -  

[engl. turn, frz. tour de parole, russ. коммуникативный ход]

Auch: Turn, Gesprächs-, Rede-, Sprecherbeitrag: „alles das, was ein Individuum tut und sagt, während es an der Reihe ist“ (Goffman 1974, 201). Der von H. Henne/H. Rehbock 1979 als deutsches Äquivalent zu „turn“ eingeführte Terminus (vgl. 2001, 2 u.ö.) bezeichnet demnach die Gesamtheit der Äußerungen bzw. kommunikativen Handlungen eines Sprechers bis zur Übernahme der Sprecherrolle bzw. des Rederechts durch den bisherigen Hörer ( Sprecherwechsel, Turn-taking). Der G. ist eine organisatorische Einheit der Mesoebene des Gesprächs und damit eine zentrale Kategorie der Gesprächsanalyse. Er kann (und wird meistens) aus mehreren Gesprächsakten ( Gesprächsakt) bestehen. Gesprächsschritte lassen sich klassifizieren in: initiierende (Bewegen des Hörers zu einer sprachlichen Reaktion), respondierende (Reaktion des Hörers auf einen initiierenden G. des Sprechers) und reaktivierende (sowohl respondierende als auch initiierende Mischform) (vgl. dazu Brinker/Sager 2010, 69ff.; Mroczynski 2014, 76ff.). Begleitet werden sie von Hörersignalen ( Hörersignal, Back-channel-behavior, Rückmeldungsverhalten). Der G. als kommunikative Handlung eines Sprechers kann durch sprachliche und/oder nicht-sprachliche Kommunikationsmittel realisiert werden. Brinker/Sager unterscheiden zwei Funktionen von Gesprächsschritten: die Basisfunktion als Vermittlung von Illokutionen (z.B. fragen, versprechen, danken, vorwerfen etc.) und die Gesprächsfunktion, die sich vor dem Hintergrund der Gesprächssituation und der bereits vorangegangenen Redebeiträge auf die konkrete kontextuelle bzw. gesprächsstrukturelle Funktion des Gesprächsschritts bezieht (vgl. Brinker/Sager 2010, 68-69). In diesem Sinne hatten schon Henne/Rehbock zwischen „thematischen“ und „strukturierenden“ Gesprächsakten unterschieden (vgl. 2001, 176ff.), die beide Teilhandlungen von Gesprächsschritten sein können. Der Umfang eines G. kann quantitativ variieren. Komplex strukturierte Gesprächsschritte können aus mehreren (aus Sätzen gebildeten) Äußerungen bestehen, die semantisch miteinander verknüpft sind. Der Umfang einfach strukturierter Gesprächsschritte hingegen kann auch unter dem eines vollständigen Satzes liegen. Mittels prosodischer (z.B. Pausen, Tonhöhenverlauf) und lexikalischer Gliederungssignale (z.B. und, also, ich meine, ich glaube, ja) kann der Sprecher seinen G. strukturieren (z.B. durch Eröffnungssignale wie ja, also oder Schlusssignale wie ja?, nicht?) und ihn somit für den Hörer übersichtlich gestalten. (Vgl. zu alledem Brinker/Sager 2010, 58ff.)

Äußerung, Gespräch, Gliederungssignal, Illokution

Lit.: Brinker, K./Sager, S.F., Linguistische Gesprächsanalyse. Eine Einführung. 5., neu bearb. Aufl. 2010, 58-71. Goffman, E., Das Individuum im öffentlichen Austausch. 1974. Henne, H./Rehbock, H., Einführung in die Gesprächanalyse. 4., durchges. u. bibliograph. erg. Aufl. 2001. Linke, A./Nussbaumer, M./Portmann, P., Studienbuch Linguistik. 5., erw. Aufl. 2004. Mroczynski, R., Gesprächslinguistik. Eine Einführung. 2014, 72-78. Rath, R., Gesprächsschritt und Höreraktivitäten. In: Brinker, K./Antos, G./Heinemann, W./Sager, S.F. (Hrsg.), Text- und Gesprächslinguistik. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 2. Halbbd. 2001, 1213-1218. UHÄ

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