lexikalische Solidarität

Coserius (1967) Terminus für W. Porzigs „wesenhafte Bedeutungsbeziehungen“ (1934) oder „syntaktische Felder“ (1950), → Kollokation (1), → Gebrauchsregel (2). Starke → Selektionsrestriktion; im Unterschied zum paradigmatischen → Wortfeld die Verbindung zwischen Wörtern, die semantisch so eng zusammengehören, dass das eine in der Bedeutung des anderen jeweils mitgedacht ist bzw. beide sich gegenseitig determinieren und dadurch syntagmatisch ihr Erscheinen im selben Kotext erzwingen. In der Beziehung der l.S. stehen z.B. Hund - bellen, Pflanze - blühen, Zähne - beißen, Bäume - fällen: „In beißen ist Zahn als Organ des Beißens schon mitgesetzt, ebenso in lecken die Zunge. Als Subjekt der Handlung steckt Hund in bellen schon drin, und als Objekt die Bäume in fällen. Auch das Eigenschaftswort blond setzt die Haare mit, auf die es sich bezieht, denn man kann ebensogut sagen sie war blond wie sie hatte blondes Haar. Nicht immer ist die Beziehung so eindeutig wie in diesen Fällen. In reiten ist das Reittier, aber jede Art von Reittier, Pferd, Esel, Kamel, mitgesetzt, in fahren jede Art von Fahrzeug, Wagen, Schlitten, Schiff.“ (Porzig 1986, 123) Coseriu kennzeichnet die l.S. genauer als die „inhaltliche Bestimmung eines Wortes durch eine Klasse, ein → Archilexem oder ein → Lexem [...], und zwar in der Hinsicht, daß eine bestimmte Klasse, ein bestimmtes Archilexem oder ein bestimmtes Lexem im → Inhalt des betreffenden Wortes als unterscheidender Zug funktioniert.“ (1967, 296) Coseriu unterscheidet drei Typen: Bei der „Affinität“ ist es ein übergeordneter Klassenbegriff („Klasse“), der als „unterscheidender Zug“ fungiert (so implizieren frz. patte, it. zampa, span. pata, dt. Pfote das abstrakte Merkmal ‘tierisch’ und können sich daher auf die verschiedenen Tierarten beziehen). Wie das Beispiel Schiff – fahren verdeutlicht, in dem Schiff durch jede andere Bezeichnung eines Fahrzeugs ersetzt werden kann, ist das Archilexem des jeweiligen Wortfeldes unterscheidender Zug in dem l.S.-Typ, den Coseriu „Selektion“ genannt hat. Lediglich bei der „Implikation“ (wie in ndl. fietsen, das nur von Fahrrädern ausgesagt werden kann) ist das Determinans ein Einzellexem. Polyseme lexikalische Einheiten (→ Polysemie), die in mehrfachen l.S.sbeziehungen stehen, werden kotextuell vereindeutigt. Während bei „einseitigen“ l.S.en durch Prädikation des implizierten Lexems (er beißt mit den Zähnen) ein tautologischer Satz (→ Tautologie) entsteht, ist dies bei „mehrseitigen“ nicht der Fall (das Pferd wiehert). Durch Verletzung der Regeln der l.S. entsteht automatisch eine → Metapher (die Kälte beißt, das Publikum wiehert). – Gegen das Konzept der l.S. kann eingewandt werden, dass es sich hier nicht eigentlich um semantische Beziehungen zwischen Wörtern, sondern um sachliche bzw. enzyklopädische und insofern konzeptualisierte Beziehungen (→ Kontiguität) zwischen den bezeichneten Gegenständen, Tätigkeiten usw. handelt.

Lit.: Cantarini, S., Syntaktische Wortfelder: von den „wesenhaften Bedeutungsbeziehungen über die Kollokationen“ und „Selektionsbeschränkungen“ zu den „lexikalischen Solidaritäten“. In: L’analisi linguistica e letteraria. Facoltà di Scienze linguistiche e Letterature straniere. Università Cattolica del Sacro Cuore. Anno XV - 1/2007. 2008, 47-66. http://www.analisilinguisticaeletteraria.eu/wp-content/uploads/2015/02/200701CantariniC.pdf. Coseriu, E., Lexikalische Solidaritäten. In: Poetica 1.1967, 293-303. Lipka, L., English Lexicology. Lexical structure, word semantics & word formation. 2002. Porzig, W., Das Wunder der Sprache. [1950] 91993. Porzig, W., Wesenhafte Bedeutungsbeziehungen. In: PBB 58.1934, 70-97. AB

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