Semasiologie

22.12.2015 -  

[engl. semasiology, frz. sémasiologie, russ. семасиология] (griech. σμα, σημεον ‘Zeichen’)

Eigentlich: ‘Bedeutungslehre’.

 

  1. Im 19. Jh. (zuerst bei Chr. K. Reisig [1839]) und noch bis hin zu H. Kronasser (1952) und K. Baldinger (1957) in der Sprachwissenschaft üblicher Terminus für heutiges Semantik, das in anderen Disziplinen überwog, z.B. in der Philosophie. Untersucht wurde vor allem der Bedeutungswandel.
  2. Im linguistischen Strukturalismus eingeengt auf diejenige Methode/Teildisziplin innerhalb der linguistischen Semantik, die (in diachroner wie synchroner Perspektive), vom Zeichenkörper, d.h. vom Bezeichnenden ausgehend, den Einzellexemen ihre verschiedenen Teilbedeutungen ( Semem) zuzuordnen und Wortfeldbeziehungen ( Wortfeld) zu ermitteln sucht, Onomasiologie. Für K. Heger (1964) wird in der semasiologischen Vorgehensweise die aus der Summe ihrer Sememe gebildete Gesamtbedeutung eines Lexems als gegebene Art betrachtet, zu der Gattung und differentia specifica zu suchen sind, die diese Art bestimmen. Ausgehend etwa von den Wortformen Sitzmöbel, Stuhl, Hocker, Sessel, Bank, Sofa werden semantische Merkmale ( Sem) wie ‘Möbel zum Sitzen’, ‘für eine Person’, ‘mit Rückenlehne’, ‘ohne Rückenlehne’, ‘mit Polsterung’, ‘für mehrere Personen’, ‘ohne Polsterung’ ermittelt. Sitzmöbel erweist sich dabei als Oberbegriff ( Archilexem, Hyperonym), dessen Semem allen anderen Mitgliedern des lexikalischen Paradigmas als Sem gemeinsam ist. Alle anderen semantischen Merkmale sind demgegenüber als differentiae specificae zu bestimmen. Bei H. Henne/H.E. Wiegand (1969), H.E. Wiegand (1970) und H. Henne (1972) wird gezeigt, wie erst das Zusammenspiel onomasiologischer und semasiologischer Verfahren ein systematisches und analytisches Herausarbeiten der semantischen Merkmale ermöglicht. Alle alphabetische Lexikographie ist semasiologisch.

Lit.: Baldinger, K., Die Semasiologie. Versuch eines Überblicks. 1957. Heger, K., Die Semantik und die Dichotomie von Langue und Parole. Neue Beiträge zur theoretischen Standortbestimmung von Semasiologie und Onomasiologie. In: ZRPh 85.1969, 144-215. Henne, H., Semantik und Lexikographie. 1972. Henne, H./Wiegand, H.E., Geometrische Modelle und das Problem der Bedeutung. In: ZDL 38.1971, 47-63. Kronasser, H., Handbuch der Semasiologie. 1952. Lange, K.-P., Die Behandlung der Wortbedeutung in der Geschichte der Sprachwissenschaft. In: Cruse, A./Hundsnurscher, F./Job, M./Lutzeier, P.R. (Hrsg.). Lexikologie. Ein internationales Handbuch zur Natur du Struktur von Wörtern und Wortschätzen. 1. Halbbd. 2002, 237-244. Reisig, Chr.K., Vorlesungen über lateinische Sprachwissenschaft. 1839. Schippan, Th., Einführung in die Semasiologie. Leipzig 1972. Wiegand, H.E., Synchronische Onomasiologie und Semasiologie. In: GL 3.1970, 243-383. AB

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