Aktant

Auch: → Ergänzung, → Mitspieler. Im Rahmen der → Valenzgrammatik und → Dependenzgrammatik ein vom Verb gefordertes → Satzglied, d.h. eine Ergänzungsbestimmung (vgl. Erben) zum Verb (→ Komplement, → Dependens). In der Dependenzgrammatik gibt die → Valenz von Verben die Leerstellen vor, die Aktanten, i.d.R. als Subjekt und Objekte, besetzen müssen, damit ein grammatisch vollständiger Satz entsteht. Die Fähigkeit des Verbs, eine bestimmte Anzahl von Aktanten zu fordern, nennt Tesnière „valence“ (→ Wertigkeit). Im Deutschen kann ein Verb einen bis vier Aktanten fordern, die – im Unterschied zur freien → Angabe – entweder obligatorisch oder fakultativ sind. Einwertige Verben: Der Junge schweigt. Zweiwertige Verben: Hans sieht Ruth. Dreiwertige Verben: Der Junge gibt dem Mädchen den Brief. Tesnière, der die Dependenzgrammatik für die französische Sprache konzipiert hatte, geht von der Existenz höchstens dreiwertiger Verben aus. Die Annahme des Vorkommens vierwertiger Verben im Deutschen ist nicht unumstritten. Helbig/Schenkel (1975, 15) verweisen diesbezüglich lediglich auf das Verb schleudern: Er1 schleudert ihm2 den Handschuh3 ins Gesicht4.Heringer (1970, 27 ff.) nimmt jedoch sogar fünf Aktanten als möglich an: Der Angeklagte1einigt sich2 mit seinem Gegner3 in dieser Sache4 auf einen Vergleich5. In mnachen Sprachen ist auch 0-Wertigkeit möglich (z.B. ital. mangia ‘er/sie/es isst’). Die Einhaltung der Zahl der Aktanten bewirkt zum einen eine korrekte Struktur des Satzes (→ Satzbauplan), zum anderen führt gerade die Existenz von Aktanten in den verschiedenen → Kasus zu unterschiedlichen Valenzmustern: Der Sohn dankt dem Vater. Der Sohn baut ein Haus.Ein grundsätzliches Problem für die Valenzgrammatik ist nach wie vor die eindeutige Unterscheidung obligatorischer und fakultativer Aktanten. Die Aufrechterhaltung der Grammatikalität eines Satzes gilt als Bedingung für die Weglassbarkeit von Aktanten. Im Satz Er wohnt in Magdeburg sind das Subjekt und die Lokaladverbiale (→ Adverbial) jeweils obligatorische Aktanten. Das Verb lesen im Satz Hans liest den Roman vs. Günter Grassliestander Magdeburger Universität verlangt indessen zwei Aktanten, einen obligatorischen (Hans)und einen fakultativen (den Roman vs. ander Magdeburger Universität). Bei Weglassen des fakultativen Aktanten bliebe zwar die Grammatikalität des Satzes gewahrt, welche Teilbedeutung (→ Semem) jedoch aktuell gemeint war: ‘optisches und kognitives Erfassen eines Textes’vs. ‘Vortragen eines geschriebenen Textes (durch den Autor)’, bliebe ohne → Kontext unentscheidbar. Bei Fehlen des direkten Objekts wird eher ein Zustand bezeichnet, der allerdings nicht zu einem systematisch relevanten Bedeutungsunterschied führt. Die Mehrwertigkeit von Verben ist im Allgemeinen verbunden mit einem semantischen Unterschied (→ Polysemie): Kupfer leitet (fakultativ: den Strom). Der Dekan leitet die Diskussion (die Diskussion ist obligatorisch). Neben dem Verb als → Regens verlangen auch andere Wortarten Aktanten. Unumstritten ist die Valenz des Adjektivs (Hans ist seinem Vater ähnlich) und des Substantivs (der Dank des Sohnes an den Vater). Die Frage, ob das Adverb (mitten im Leben) und die Präposition (für +Akk.; für den Sohn) über Valenz verfügen, bleibt mindestens diskutabel.

Lit.: Erben, J., Deutsche Grammatik. Ein Abriß. 1972. Helbig, G./Schenkel, W., Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben. 1975. Heringer, H.-J., Zur Analyse von Sätzen des Deutschen auf der Unterstufe. In: Linguistik und Didaktik 1, 1970. Storrer, A., Ergänzungen und Angaben. In: Ágel, V./Eichinger, L. M./Eroms, H.-W./Hellwig, P./Heringer, H. J./Lobin, H. (Hrsg.): Dependenz und Valenz: Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung. 1. Halbbd. 2003, 764-780. Tarvainen, K., Einführung in die Dependenzgrammatik. 22000. Tesnière, L., Eléments de syntaxe structurale. 21966. Dt.: Grundzüge der strukturalen Syntax. Hrsg. von E. Engel. 1980. Welke, K., Valenzgrammatik des Deutschen. 2011. KP

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