Konnotation

28.03.2016 -  

[engl. connotation, frz. connotation, russ. коннотация] (mlat. connotatio ‘Mitbezeichnetes’)

Ggs. → Denotation

  1. Begriff aus der scholastischen Zeichentheorie, z.B. bei Wilhelm von Ockham (1323), der das nomen connotativum definiert als „illud, quod significat aliquid primario et aliquid secundario“ (‘dasjenige, welches etwas in erster und zweiter Hinsicht bedeutet’), d.h. sich auf ein Subjekt bezieht, eine oder mehrere seiner Eigenschaften bezeichnet (d.h. konnotiert) und daher eine zusammengesetzte Bedeutung hat, die mittels Nominaldefinition bestimmt werden kann.
  2. In der neueren Philosophie wieder aufgenommen durch J.St. Mill (1884), der (im Ggs. zu G. Frege, B. Russell und anderen Autoren aus dem Bereich der analytischen Philosophie) die Auffassung vertritt, Eigennamen hätten „denotation without connotation“, bezögen sich demnach referierend/identifizierend auf ihre Träger, ohne eine K. als „Sinn“ (1) über sie mit auszusagen (vgl. dazu auch Lyons 1980, 188f, 232).
  3. In der Semiotik „die Gesamtheit aller kulturellen Einheiten [Zeichen, Vorstellungen usw.] [...], die von einer intensionellen Definition des Signifikans [der Ausdrucksseite] ins Spiel gebracht werden können“ (Eco 1972, 108), d.h. assoziiert werden, genauer: alles das, was aus der Denotation eines Zeichens erschlossen werden kann und dadurch zu dessen Interpretanten ( Interpretant, Bedeutung, Zeichen) wird. Die K. ist danach ein durch Konvention, Erfahrung und Gebrauch bereitgestellter Ausschnitt aus der Kette möglicher Interpretanten. In diesem Sinne konnotiert Rauch Feuer, Hufabdrücke und andere Spuren konnotieren etwa das Pferd Brunellus, und ein Wort konnotiert seine Synonyme ( Synonym), Paraphrasen ( Paraphrase), Antonyme ( Antonym), Hyponyme ( Hyponym), Hyperonyme ( Hyperonym) und Wertungen sowie stilistische Zuordnungen, ideologische Zugehörigkeit u.v.a.m.
  4. Aus der Sprachphilosophie in der 1. Hälfte des 20. Jhs. in die Linguistik gelangt und spätestens seit L. Bloomfield (1933) – im dt. Sprachraum zudem unter dem Einfluss einer fehlgeleiteten Erdmann-Rezeption – umgedeutet zu ‘alles das, was durch ein Wort über den begrifflichen Kern hinaus mitbezeichnet wird’, d.h. die assoziativen, emotionalen, wertenden und stilistischen Bedeutungsaspekte oder Begleitvorstellungen eines Wortes, die subjektiv oder konventionalisiert sein können. Es lassen sich mindestens sechs tatsächliche Aspekte des nicht-denotativen Teils der Bedeutung unterscheiden, die bei den verschiedenen Autoren einzeln oder kombiniert zur K. gerechnet werden: (a) die ‘subjektiven Assoziationen eines Sprechers/Hörers’ (für den Klaustro- oder Hypsiphoben konnotiert Fahrstuhl ‘Angst’); (b) die ‘konventionellen Assoziationen’, d.h. K.O. Erdmanns „Nebensinn“ (Leu und Löwe denotieren dieselbe Klasse von Tieren, allein Leu jedoch konnotiert ‘prächtiges Fabelwesen’); (c) die ‘konventionalisierten, allgemein assoziierten Wertungen’, d.h. K.O. Erdmanns „Gefühlswert“ (Gaul denotiert ‘Pferd’ und konnotiert ‘schlecht, unansehnlich, ungeeignet’); (d) der ‘sozial bedingte Stilwert eines Wortes’ (Urin und Pisse denotieren dieselbe Substanz, unterscheiden sich jedoch durch die K. ‘gehobene’ vs. ‘vulgäre Stilebene’ (bzw. ‘höflich’ vs. ‘unhöflich’), Kontextregel); (e) die ‘Kennzeichnung der (sozialen oder regionalen) Gruppenzugehörigkeit’ (Tomate und Paradeiser denotieren dasselbe Gemüse, unterscheiden sich jedoch dadurch, dass Paradeiser ‘österreichisch’ konnotiert), Schibboleth; (f) die ‘konventionalisierten Wertungen, die Bestandteil der lexikalischen Bedeutung (geworden) sind’ (Unkraut denotiert gewisse sich frei säende Nicht-Kulturpflanzen und konnotiert ‘schädlich’). Aufgrund seiner häufig unklaren Bestimmung wurde die Kategorie der K. von W. Dieckmann als „linguistische Rumpelkammer“ (1981, 111) bezeichnet; sie ist aber nur der Abstellraum verschiedener Konzeptionen der Semantik.

Bedeutung, Eigenname, Konnotat

Lit.: Bloomfield, L., Language. 1933. Dieckmann, W., K.O. Erdmann und die Gebrauchsweise des Ausdrucks ‘Konnotation’ in der linguistischen Literatur. In: Ders., Politische Sprache – Politische Kommunikation. 1981, 78-136. Eco, U., Einführung in die Semiotik. 1972. Eco, U., Semiotik. 1987. Garza-Cuarón, B., Connotation and Meaning. 1991. Ludwig, K.-D, Zu normativen, konnotativen und stilistischen Angaben in Wörterbucheintragungen. In: Agricola, E./Schildt, J./Viehweger, D. (Hrsg.), Wortschatzforschung heute. Aktuelle Probleme der Lexikologie und Lexikographie. 1982, 166-184. Lyons, J., Semantics. Vol. 1. 1977. dt. Semantik. Bd. 1. 1980. Mill, J.St., A System of Logic. 1884. Ockham, W. v., Summa Logicae. dt. (Auszug) Texte zur Theorie der Erkenntnis und Wissenschaft. Lateinisch/Deutsch. Hrsg., übersetzt u. kommentiert von R. Imbach. 1984. Rössler, G., Konnotationen. 1979 (= Zs. f. Dialektologie und Linguistik. Beihefte N.F. Nr. 29). AB

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