Kontamination

29.09.2017 -  

[engl. amalgam/blend/contamination/fusion/telescoped word, frz. contamination/mot valise, russ. контаминация/словослияние] (lat. contaminare ‘mit Fremdartigem in Berührung bringen’, ‘verschmutzen’)

Auch: Wortkreuzung, Amalgamierung, Kapselwort, Klappwort, Kofferwort, Kombi-Wort, Kontraktion, Mischwort, Port(e)manteau-Wort, Schachtelwort, Tandemwort, Teleskopwort, Wortmischung, Wortverschmelzung, Wortverschränkung, Zusammenziehung. Wortbildungsverfahren, bei dem zwei Wörter, die simultan im Sprechenden präsent sind, in formverkürzender Weise übereinandergeblendet werden. Dabei wird entweder von jedem der beteiligten Wörter ein Bestandteil getilgt (vorwiegend aus vorherrschend und überwiegend, angeheitert aus angetrunken und aufgeheitert) oder beide werden so miteinander verschmolzen, dass sich ihre Wortformen partiell addieren oder überlappen (verschlimmbessern aus verbessern und verschlimmern, Pubertätlichkeiten aus Pubertät und Tätlichkeiten, Literatour aus Literatur und Tour). Die K., die auch allein auf der Schreibung basieren kann, ist sowohl Mittel zur Bildung neuer Wörter als auch zur Erzeugung von Wortspielen oder Kunstwörtern (z.B. Produktnamen). An mindestens einem der Anknüpfungspunkte, der Kontaktzone, findet dabei eine Wortkürzung statt, die sich nur teilweise an Lexem-, Morphem- oder Silbengrenzen orientiert. Nach der weiten Definition von Altmann (2011) ist die K. eine Kombination aus zwei zufälligen Wortbestandteilen, Wortsegmenten oder Wortvollformen zu einem neuen Wort. In vielen Sprachen ist sie ein typisches Wortbildungsmittel, das aber hinsichtlich der Häufigkeit keine Konkurrenz zu anderen Wortbildungsarten wie der Komposition oder der Derivation darstellt.

Folgende Muster der Bildung von Kontaminationen lassen sich unterscheiden:

- kopulative Strukturen z.B. Milka aus Milch und Kakao
- Determinativkomposita z.B. Cybernaut für Astronaut, der im Cyberspace unterwegs ist
- syntaktische Strukturen z.B. Indiskretin aus indiskreter Kretin.

Manche Kontaminationen haben sowohl eine kopulative als auch determinative Lesart wie z.B. Kurlaub aus Kur und Urlaub vs. Urlaub, der eine Kur ist.

Hinsichtlich der Zusammenfügung der Elemente kann man vier Typen unterscheiden:

1. Vollformen der Elemente überlappen sich nicht: Brunch aus engl. breakfast und engl. lunch
2. Vollformen überlappen sich in einem oder mehreren Lauten (bzw. Graphemen): Sandwicheese aus Sandwich und Cheese
3. Ein Segment wird in ein Basiswort eingefügt: Hotelverführer aus Hotelführer und Verführer.
4. Bei gleicher Lautgestalt wird nur graphische Form des ersten Wortes entsprechend dem zweiten variiert: inteam aus intim und Team.

Darüber hinaus stehen vorsätzlich gebildete eher versehentlich zustande gekommenen Kontaminationen gegenüber:

Eine bewusste K. liegt vor, wenn zwei Wörter bzw. Wortstämme reduziert und zu einem neuen Wort verschmolzen werden: Journaille aus Journalisten und Canaille (Karl Kraus), Grusical aus gruseln und Musical, jein aus ja und nein.

Bei der nicht-intentionalen K. werden unabsichtlich zwei einander semantisch ähnliche Ausdrücke zusammengezogen, ohne, dass eine neue Bedeutung entsteht z.B. Negateiliges (aus Negatives und Nachteiliges) oder niet (aus nett und lieb).

Die Transparenz der Kontaminationen bleibt erhalten, wodurch sie auf der Basis des Sprach- und Weltwissens meistens leicht in die Vollformen ihrer Basen aufgelöst werden können. In manchen Fällen büßen sie jedoch ihre ursprüngliche Transparenz ein, sodass Univerbierung erfolgt (Persil aus Perborat und Silikat). Weil die kontaminierten Elemente nicht immer morphologische Einheiten ( Morphem) sind, ist die K. von der Komposition abzugrenzen. Zudem erscheinen in der K. keine Fugenelemente. Auch ist die K. von der Kurzwortbildung zu unterscheiden, weil die Kontaminate stets neue, eigenständige Wörter sind.

Die K. dient einerseits bewusst dazu, komische Effekte zu erzielen, andererseits kann sie auch als spontaner Sprechfehler (eingebildet aus einbürgern und sich bilden, Vortragung aus Vortrag und Vorlesung) auftreten. Auch Freudsche Versprecher lassen sich als Kontaminationen erklären (zum Vorschwein kommen aus Vorschein und Schweinerei). In der Alltagssprache sind Kontaminationen meist Gelegenheitsbildungen, die schnell wieder vergessen werden (Ausnahmen: im Gegentum oder fürchterbar. Andere Beispiele gehören nur dem Idiolekt eines einzelnen Autors (z.B. eines Kabarettisten) an: Kompromissgeburt, Modeschauerliches, famillionär (Heine) usw. Solche ästhetisch-kreativen, sprachspielerisch-humorvollen Wortbildungen sind für bestimmte Bereiche – v.a. in Literatur, Werbung, Journalismus, als Marken- oder Produktnamen sowie in Gruppen- und Fachsprachen – besonders typisch.

Lit.: Altmann, H., Prüfungswissen Wortbildung. 2011. Donalies, E., Basiswissen Deutsche Wortbildung. 22011. Hentschel, E./Weydt, H., Handbuch der deutschen Grammatik. 42013. Duden. Die Grammatik. 2009. Müller, P./Friedrich, C., Kontamination. In: Elsen, H./Michel, S. (Hrsg.), Wortbildung im Deutschen zwischen Sprachsystem und Sprachgebrauch. Perspektiven – Analysen – Anwendungen. 2011, 73-109. Paul, H., Prinzipien der Sprachgeschichte. 101995. 160ff. HLD

 

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