Signal
[engl. signal, frz. signal, russ. сигнал] (lat. signum ‘Zeichen’, signalis ‘dazu bestimmt, ein Zeichen zu geben’)
Materielles → Zeichen als (potentieller) Träger von Information.
- In der → Informationstheorie physikalischer (oder chemischer) Zustand des Kanals, der zur Übertragung einer Nachricht/von Informationen verwendet wird. Dabei sind Informationen als „Klassen äquivalenter Signale bzw. Signalmengen“ (Klaus 1969, 571) zu bestimmen und haben ohne die sie realisierenden Signale keinen Bestand. Strenggenommen werden nämlich nicht Informationen, sondern nur vom Sender kodierte (→ Kode) Signale übertragen, die vom Empfänger zu dekodieren, d.h. in andere Signalkodes zu übersetzen sind. Das tatsächlich gesendete S. (Zeichenexemplar) ist demnach von der durch es übermittelten Information zu trennen, die ihrerseits nur in Form von Signalen gegeben sein kann.
- Bei I.P. Pavlov (1927) i.S.v. ‘physiologischer Reiz, der einen „bedingten Reflex“’ auslöst. Entsprechend im mikrosemiotischen Zusammenhang der Zellbiologie, wo der Terminus „S.“ verwendet wird, „to designate an ,informational‘ sign or sign-event, one with actual or potential significance to cell“ (Yates 1997, 459), das eine Zustandsveränderung oder die Erinnerung an gespeicherte Information hervorruft.
- In der Zeichentheorie (→ Semiotik) von Ch.W. Morris ist jedes Zeichen, das kein → Symbol (2) ist, also nicht von seinem Interpreten (bewusst) hergestellt ist und nicht als Ersatz für ein anderes mit ihm synonymes Zeichen fungiert, ein S. Signale sind demnach (unbewusste) Anzeichen (→ Index). In diesem Sinne signalisiert etwa der steigende Puls zunehmende Erregung, und das Vorhandensein von Pfützen ist ein S. dafür, dass es zuvor geregnet hat. Der unmittelbare Gefühlsausdruck (z.B. ein Schmerzensschrei) ist ein S., der ihn bezeichnende sprachliche Ausdruck als sein „Ersatz“ jedoch ein Symbol. Während Signale Reaktionen auf Kontextbedingungen darstellen, sind Symbole generalisierbar und situationsunabhängig, denn anders als S. Langer (1942) sieht Morris den Unterschied zwischen S. und Symbol nicht darin, dass Signale Objekte lediglich „ankündigen“, während diese im Falle von Symbolen „vorgestellt“ würden, „sondern im Maße der Abwesenheit oder Anwesenheit der unterstützenden Bedingungen, unter denen Verhaltensdispositionen in offensichtliches Verhalten münden.“ (1973, 132)
- Bei L.J. Prieto (1966) die konkrete Realisierung des (auf Langue-Ebene angesiedelten) Signifikanten (→ Bezeichnendes) im Kommunikationsakt, d.h. auf der Ebene der → Parole, zum Zwecke der Nachrichtenübermittlung. Der gemeinsam mit seinem zugehörigen Signifikat (→ Bezeichnetes) ein Zeichen bildende Signifikant stellt für Prieto eine Klasse gleichartiger Signale dar. Vermittelt über den Signifikanten sind Signale Elemente eines Kodes und insofern von den Anzeichen geschieden.
- A. Schaff bestimmt die Signale als „materielle Erscheinungen, die speziell hervorgerufen oder zu dem Zweck benutzt werden, um eine (gesellschaftlich, gruppenweise oder individuell) abgesprochene und vereinbarte Reaktion in Gestalt bestimmter Äußerungen des menschlichen Handelns zu erreichen.“ (1973, 169) Sie sind daher nur demjenigen verständlich, der die Konvention, d.h. den Kode kennt. Ohne die sie als Signale begründende Konvention wären sie nur „gewöhnliche physikalische Erscheinungen“ (ebd., 170). Weil sie dagegen nicht, wie die Signale, durch → Arbitrarität und → Intentionalität gekennzeichnet und nicht Träger einer konventionellen → Bedeutung sind, werden die Anzeichen (→ Index) von Schaff, anders als bei Morris, nicht zu den Signalen gerechnet. Vielmehr gehören für ihn in diese Kategorie nur alle „künstlichen“ Zeichen, nicht aber Symbole (→ Symbol (1)), wie etwa das Kreuz oder die Waage, die wie die ikonischen Zeichen (→ Ikon) und die Schriftzeichen zu den „substitutiven Zeichen“ gerechnet werden. Im hier beschriebenen Sinne wird der Begriff S. auch im Funk-Kolleg Sprache (1973) verwendet.
- Bei Bühler (1934) der Appell als eines der drei Momente bzw. Funktionen des Sprachzeichens (neben „Darstellung“ [→ Symbol (2)] und „Ausdruck“ im Organonmodell (→ Bühler’sches Organonmodell): „Es [das Sprachzeichen] ist Symbol kraft seiner Zuordnung zu Gegenständen und Sachverhalten, Symptom (Anzeichen, Indicium) kraft seiner Abhängigkeit vom Sender, dessen Innerlichkeit es ausdrückt, und S. kraft seines Appells an den Hörer, dessen äußeres oder inneres Verhalten es steuert wie andere Verkehrszeichen.“ (1934, 28) Während Morris alle Indizien und Schaff alle Nicht-Indizien als Signale bezeichnet, stellt das S. für Bühler eine Teilfunktion jedes Zeichens dar (die dominieren oder von den anderen Funktionen mehr oder weniger überlagert werden kann).
- Bei Th. Sebeok, an Bühler anschließend, als weiterer Zeichentyp neben Ikon, Name, Symptom, Index und Symbol. Als S. werden von Sebeok solche Zeichentoken (→ Token, → Vorkommen) betrachtet, die „auf seiten des Empfängers mechanisch oder konventionell irgendeine Handlung“ (1979, 97) auslösen. Als Beispiele für Signale nennt er den Ausruf „Los!“ oder das Abfeuern einer Pistole als Start eines Wettlaufs (ebd., 99). – Da Signale in der Alltagssprache (und im Wissenschaftsjargon) überwiegend als ‘materielle, physikalische Seite eines nicht-sprachlichen Zeichens, das der Übertragung von Information und der Auslösung von Reaktionen dient’, verstanden wird und in Linguistik und Semiotik Signale sowohl als nicht-konventionell und symptomatisch (‘Indizes’) als auch als konventionell und darstellend bzw. appellativ (‘alle Zeichen mit Ausnahme der Indizes’) beschrieben werden, ist der Signalbegriff nur mit größter Vorsicht zu gebrauchen.
→ Symbol, → Symptom, → Appellfunktion, → Auslösung
Lit.: Bühler, K., Sprachtheorie. 1934. Eco, U., Einführung in die Semiotik. 1972. Burkhardt, A., Semiotik II. Philosophisch-linguistisch. In: Krause, G./Müller, G. (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Bd. 31. 2000, 116-134. Funk-Kolleg Sprache. Bd. 1. 1973. Klaus, G., Wörterbuch der Kybernetik. Bd. 2. 1969, 569-571. Langer, S., Philosophy in a New Key. 1942. dt. Philosophie auf neuem Wege. Frankfurt/M. 1965. Morris, Ch.W., Zeichen, Sprache und Verhalten. 1973. Pavlov, I.P., Conditioned Reflexes. 1927. Prieto, L.J., Messages et signaux. 1966. dt. Nachrichten und Signale. 1972. Schaff, A., Einführung in die Semantik. 1973. Sebeok, Th., Theorie und Geschichte der Semiotik. 1979. Yates, F.E., Microsemiosis. In: Posner, R./Robering, K./Sebeok, Th.A. (Hrsg.), Semiotik. Ein Handbuch zu den zeichentheoretischen Grundlagen von Natur und Kultur. 1. Teilbd. 1997, 457-464. AB