Sprachzeichen

30.01.2017 -  

[engl. linguistic sign, frz. signe linguistique, russ. языковойзнак]

Auch: sprachliches Zeichen. Isolierbares Element des Sprachsystems (→ Langue). Die S. gliedern sich zunächst in distinktive (→ Phonem, → Graphem) und signifikative (→ doppelte Gliederung). Auf der signifikativen Ebene ist das S. die konventionelle (bzw. tradierte) Verbindung eines Ausdrucks (Laut- oder Schriftform, → Bezeichnendes) mit einem → Inhalt (→ Bedeutung, → Bezeichnetes), wie dies bei Morphemen (→ Morphem, → Lexem, → Grammem, → Derivatem), Kompositemen (→ Kompositem), Ableitungen (→) und Phraseologismen (→ Phraseologismus) der Fall ist. (Aber auch Sätze und Texte könnten als komplexe signifikative S. betrachtet werden.) F. de Saussure (zuerst 1916) hat → Ausdruck (2) und → Inhalt, die gemeinsam das bilateral konzipierte → Zeichen konstituieren, mit den zwei Seiten eines Blattes verglichen (2001, 134), die ebenfalls untrennbar miteinander verbunden sind. Ähnlich ist für L. Hjelmslev (zuerst 1943) der Ausdruck nur dadurch Ausdruck, dass er Ausdruck eines Inhalts, und umgekehrt der Inhalt nur dadurch Inhalt, dass er Inhalt eines Ausdrucks ist (vgl. 1974, 53). Während die Lexeme (mit Ausnahme weniger Onomatopoetika (→ Onomatopoetikum) wie peng oder Kuckuck) in ihrer weitaus überwiegenden Mehrzahl durch → Arbitrarität gekennzeichnet sind (→ Symbol (2)), die Beziehung zwischen Ausdruck und Inhalt also nicht vom Bezeichneten her motiviert ist, sind Kompositeme, Derivateme und Phraseologismen insofern meist in dem Sinne teilmotiviert, dass sich ihre Bedeutung weitgehend aus den Bedeutungen ihrer lexikalischen Komponenten ergibt. Ausdrucksseitig sind S. darüber hinaus im Ggs. zu anderen Zeichen linear: Ihre Konstituenten (die Phone (→ Phon)/Phoneme bzw. Graphe (→ Graph)/Grapheme stehen in der Relation zeitlicher Aufeinanderfolge. Im Ggs. zur seit de Saussure vorherrschenden Vorstellung von der (als → Konsubstantialität gedeuteten) Bilateralität (→ bilaterales Zeichen) des S. folgt jedoch aus der Tatsache, dass das Zeichen dadurch definiert ist, dass es Bedeutung hat, nicht, dass die Bedeutung, die es hat, Teil von ihm ist. Nach semiotischem Verständnis (→ Bedeutung (2)) besteht die Inhaltsseite lediglich darin, durch andere, äquivalente Zeichen ersetzbar zu sein. Als Vorstellung der Lautgestalt („auf einander folgender Klänge, nach einander ausgeführter Bewegungen der Sprechorgane“; H. Paul 1995, 26) oder der Schreibweise, nicht als vorgestellte Bedeutung, ist das S. Vehikel menschlichen Denkens.

Lit.: Busch, A./Stenschke, O., Germanistische Linguistik. Eine Einführung. 2007. Hjelmslev, L., Prolegomena zu einer Sprachtheorie. 1974. Linke, A./Nussbaumer, M./Portmann, P.R., Studienbuch Linguistik. 52004 (= Reihe Germanistische Linguistik 121). Lutzeier, P.R., Linguistische Semantik. 1985. Paul, H., Prinzipien der Sprachgeschichte. 101995. Saussure, F. de, Cours de linguistique générale. 31968; http://www.clg2016.org/fileadmin/user_upload/ferdinand_de_saussure_cours_de_linguistique_generale.pdf. dt. Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft 32001. Saussure, F. de, Cours de linguistique générale. Zweisprachige Ausgabe französisch-deutsch, mit einer Einleitung, Anmerkungen und Kommentar. Hrsg. von P. Wunderli. 2013. Schaff, A., Einführung in die Semantik. 1973. AB

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