Anagramm
Schüttelwort; Buchstabenumstellung innerhalb eines Wortes oder Namens, bei der die bilaterale Zeichenrelation zwischen → Signifikant und → Signifikat lokal außer Kraft gesetzt wird, z.B. nohwi für wohin oder Nokixel für Lexikon. Anagramme treten häufig in Rätseln auf oder dienen – als Ananyme – zur Bildung von Pseudonymen (Paul Celan < Paul Antschel [rumänisiert Ancel]. Bei F. de Saussure (in den sog. „Anagramm-Studien“), der einen großen Teil seines Lebenswerks dem Studium der Lautverteilungen in der idg. Dichtung widmete, treten die Anagramme auch als poetisches Prinzip in den Blick. Als Aufgaben im sprachpsychologischen Test ermöglichen Anagrammvorgaben das Aufdecken verschiedener verbaler Strategien, z.B. → Permutation (bei einer Folge von 10 Buchstaben sind 3,6 mal 106 Umstellungen möglich), Ausschluss von für eine Sprache nicht typischen oder nicht möglichen Buchstabenkombinationen, Orientierung auf den Anfang, den Stamm bzw. die Mitte oder das Ende des zu erwartenden Wortes. Selbst wenn formale Strategien des Suchens und Lösens im Vordergrund stehen, scheint die Auswahl der Strategie selbst semantisch-inhaltlich (u. U. auch von Erwartungen) gesteuert zu sein.
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