Assimilation

  1. Lautangleichung; Ggs. → Dissimilation. Der Prozess und das Ergebnis der Angleichung von Lauten bzw. Lautsequenzen, die durch eine Anpassung der Artikulationsbewegungen und damit der Artikulationsstellen bzw. -art während des Sprechens zustande kommt. In diesem Sinne kann zwischen unterschiedlichen Typen der A. unterschieden werden: Lebendige A. ist als Prozess der A. während des Sprechvorganges aufzufassen. „Auch in der Standardaussprache beeinflussen sich benachbarte Laute in Abhängigkeit von Akzentuierung, Sprechspannung und -tempo.“ (Bose/Hirschfeld/Neuber/Stock 2016, 55.) So erfolgt fortwährend ein Ineinanderfließen und Überlagern verschiedener Lautbewegungen, was zur Folge hat, dass diese angeglichen, zurückgedrängt oder unterdrückt werden können. Dieser Vorgang ist in der Umgangssprache besonders ausgeprägt (z.B. geben, ugs.: [ge:bən]> [ge:bm]). Historische A. ist als Resultat von lebendiger A. aufzufassen und beschreibt das zur Norm gewordene Ergebnis des Sprachwandels. Bspw. wurde die A. von mb zu mm (mhd. kumber, zimber - fnhd. kummer, zimmer) in die Standardsprache übernommen oder der Umlaut als ein Kennzeichen des Plurals grammatikalisiert (ahd. gast - gesti). Entsprechend der Beeinflussungsrichtung ist die progressive A. (vorauswirkende A.), in deren Verlauf der folgende dem vorhergehenden Laut angeglichen wird (haben, [ha:bn] > [ha:bm]; A. des Nasals [n] nach bilabialem [b] > bilabial-nasalem [m]), von der regressiven A. (rückwirkenden A.), in deren Verlauf der vorausgehende Laut dem folgenden angeglichen wird (Busspur, [busʃpuɐ] > [buʃʃpuɐ; A. von [s] vor [ʃ] > [ʃ]) zu unterscheiden. Ein weiterer Subtyp ist die reziproke Assimiliation (Abend, [a:bənt] > [a:mt]; wechselseitige A. von bilabialem [b] und nasalem [n] > bilabial-nasalem [m]). Nach dem Grad der A. können partielle A., die teilweise Angleichung der Artikulationsstelle (ahd.wurfil > mhd. würfel), und totale A. (fnhd. kumber - kummer), die vollständige Angleichung der Artikulationsstelle, voneinander abgegrenzt werdenHäufig bewirken unmittelbar benachbarte Laute A. (Kontaktassimilation), jedoch können auch Beeinflussungen über andere Laute hinweg erfolgen (Fernassimilation), so bspw. bei der → Auslautverhärtung eines stimmhaften Obstruenten (→ Obstruent) infolge stimmloser Umgebung oder bei der Umlautbildung. „Eine besondere Form der Assimilation stellt die sog. Ekthlipsis dar. Nach → Synkope von e zwischen gleichen bzw. ähnlichen Konsonanten werden diese häufig verschmolzen bzw. assimiliert, so in der Flexion, etwa im Gen. Sg. hauses > hauss ~ haus, oder in der 3. Sg. Präs. Ind. redet > redt ~ red.” (Hartweg/Wegera 1989, 114.)
  2. Zuweilen auch Grad der Integration entlehnten Sprachgutes in die aufnehmende Sprache. Es können hierbei unterschiedliche Stufen der phonetischen, morphologischen, orthographischen und semantischen A. beobachtet werden, so die vollständige A., wie bei Fenster von lat. fenestra, oder die partielle A., wie bei Niveau von frz. niveau.

Lit.: Becker, Th., Einführung in die Phonetik und Phonologie des Deutschen. 2012, 69f. Bose, I./Hirschfeld, U./Neuber, B./Stock, E., Einführung in die Sprechwissenschaft. Phonetik, Rhetorik, Sprechkunst 22016, 55f. Hartweg, F./Wegera K.-P., Frühneuhochdeutsch. Eine Einführung in die deutsche Sprache des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. 1989. Kohler, K. J., Einführung in die Phonetik des Deutschen. 2., neubearb. Aufl.1995, 205-211. Ramers, K.-H./Vater, H., Einführung in die Phonologie. 1991. Schmidt, W., Geschichte der deutschen Sprache, Ein Lehrbuch für das germanistische Studium, verb. und erw. Aufl., fortgeführt von H. Langner, hrsg. von E. Berner und N. R. Wolf. 112013. Schweikle, G., Germanisch-deutsche Sprachgeschichte. 1996. UF

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