Familienname
Im deutschen Sprachraum neben einem oder mehreren Vornamen (→ Vorname) der Bestandteil des Gesamtnamens (→ Gesamtname) einer Person im deutschen Sprachraum, durch den ein Kindschafts- oder Eheverhältnis angezeigt wird (vgl. Seibicke 1993, 139).
Der Übergang von der Einnamigkeit (→ Rufname) zur Zweinamigkeit vollzog sich im deutschen Sprachraum mit großen diatopischen (→ diatopisch) und diastratischen (→ diastratisch) Unterschieden etwa zwischen 1200 und 1500. Die Familiennamen sind zeitlich zuerst in den Schriftquellen des südlichen und westlichen deutschen Sprachgebietes belegt. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die den Familiennamen vorhergehenden Beinamen (→ Beiname) jedoch viel früher und zuerst in der herrschenden Bevölkerungsschicht üblich wurden, um gleichnamige Herrscher zu unterscheiden. Im Mittelalter häufig vergebene positive (magnus ‘der Große’) oder auch pejorative (balbus ‘der Stammler’) Beinamen wurden bereits für die Herrscher im antiken römischen Reich verwendet (vgl. Bruun 1998; 1999, nach Wagner 2014, 292). „Mit der wachsenden Anzahl gleichnamiger Karolinger im ausgehenden 9. Jahrhundert sei das Bedürfnis nach unterscheidendem Beinamengebrauch erst aufgekommen.“ (Schieffer, zit. nach Wagner 2014, 292.) Auf den Adel generell lässt sich diese Auffassung wohl nicht so ohne Weiteres übertragen. „Die These vom Aufkommen der Familiennamen beim hohen Adel, der sich um 1200 nach seinen Burgen und Stammsitzen zu benennen begann (Friedrich von Staufen, Bertold von Zähringen usw.), sollte jedenfalls aufgegeben werden. Der Adel bedurfte – und bedarf bis heute – am wenigsten der eindeutigen Kennzeichnung durch Familiennamen, wie ‚Königin Elisabeth’, ‚Prinz Charles’ oder ‚Lady Diana’ bis in die Gegenwart deutlich machen.“ (Geuenich 2000, 29.)
Auch wenn im 16. Jh. bereits die meisten Personen aller Schichten einen Vor- und Familiennamen trugen, war der F. noch veränderbar, vgl. u.a. die Latinisierung der Familiennamen im 16. Jh. (Faber, Schottelius). So kann die Entwicklung der Familiennamen im deutschsprachigen Raum erst mit der Einführung des Standesamtes 1874 bzw. den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1900 als abgeschlossen angesehen werden (vgl. Debus2001, 166). Die Gründe, die zur Einführung und Durchsetzung von Familiennamen geführt haben, lassen sich im Wesentlichen auf zwei reduzieren: die Häufung von Rufnamen (u.a. durch die weitverbreitete Praxis der Nachbenennung) und die Konzentration von immer mehr Einwohnern in den sich entwickelnden Städten im Zusammenhang mit der einsetzenden schriftlichen Verwaltung im weiten Sinne. Aber auch weitere Faktoren, etwa die Erbansprüche des Adels durch die Erblichkeit der Lehen seit 1037, der Einfluss der romanischen Familiennamengebung, die Durchsetzung des Zunftrechts und die Tätigkeit der Stadtschreiber spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle (vgl. Kunze 1998, 61; Geuenich2000,17-29.). Die sichersten Kriterien, nach denen beurteilt werden kann, wann ein Beiname zum Familiennamen geworden ist, sind nach Kunze (1998, 59) der Nachweis der Vererbung über mehrere Generationen, das Tragen desselben Familiennamens bei Geschwistern, die inhaltliche Nichtübereinstimmung von F. und Eigenschaften des Namensträgers und sprachliche Kriterien wie der Wegfall von Verbindungsgliedern zwischen Rufname und Beiname. R. Zoder (1968, 28) hat in dem Korpus, das seinem umfangreichen Namenbuch „Familiennamen in Ostfalen“ zu Grunde liegt, zahlreiche Beispiele für die sog. Doppelung von Vornamen und patronymischem Familiennamen gefunden und zieht folgenden Schluss: „Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist der sicherste Beweis, dass man es mit einem PN, der zum FN geworden ist, zu tun hat, die sog. ‚Doppelung’, d. h. wenn Vor- und Familienname lautwertgleich, also identisch sind“ (Albert Alberdes, Arnoldes Arndes, Bethke Bethkens). (Zur Geschichte der ostfälischen Familiennamen vgl. auch Föllner 2015, 349-356)
Üblicherweise werden die dt. Familiennamen nach ihrer Bildungsweise in folgende Gruppen eingeteilt. 1. Familiennamen aus Rufnamen: Patronyme (→ Patronym (3)) und Metronyme (→ Metronym) (Burkhardt, Mettke).2. Herkunftsnamen: nach einer bestimmten Menschengruppe bzw. nach einem bestimmten Gebiet (Westfal, Sasse, Dähn) und nach dem Herkunftsort (damit war in der Regel nicht der Geburtsort, sondern der letzte Aufenthaltsort vor der Zuwanderung gemeint) (Drebenstedt, Ebendorf). 3. Wohnstättennamen: nach der Lage der Wohnstätte (Hof, Haus) (Zumwinkel, Achterkerken).4. Familiennamen nach Berufs-, Standes- und Amtsbezeichnungen, die die häufigsten Familiennamen in Deutschland sind (Müller, Schmidt, Schneider, Fischer, Meyer, Weber, Wagner, Becker, Schulz, Hoffmann, Schäfer, Koch, Bauer und Richter). 5. Familiennamen aus Übernamen (→ Übername), worunter Zusätze zum Rufnamen bzw. Vornamen verstanden werden, die sich auf innere und äußere Eigenschaften und wiederkehrende Handlungen des Namensträgers oder auf ein Ereignis in dessen Leben beziehen. H. Bahlow (1972, 18) beschreibt die nd. Übernamen „als Zeugnisse volkstümlicher Beobachtungsgabe, derben Humors und ungezügelter Spottlust“: Schêf-, Hink-, Holt-, Klam-, Plattvoth alsdirekte Benennungen, Dole-, Krane-, Gose-, Schwienefoth als metaphorische Bildungen und Scarppensten, Haversac, Pasche/Paschedag als metonymische Benennungen (→ Metonymie). Ein Teil der in mnd. und mhd. Quellen zu findenden Übernamen ist offensichtlich nicht bis in die Gegenwart vererbt worden. Das betrifft vor allem solche, die negative Eigenschaften und Verhaltensweisen der Namensträger assoziieren wie Smerbug und Alletfreter. Andere wie Große und Witte sind heute durchaus häufig zu finden, wenn auch eine Übereinstimmung zwischen dem Übernamen und der benannten Eigenschaft des Namensträgers nun natürlich nur zufällig sein kann. Inhaltlich zu den Übernamen bzw. auch zu den Berufsnamen gehören die Satznamen (auch: Kehr- und Echonamen), die R. Zoder (1968, 66) als eines der reizvollsten Kapitel der Namenforschung bezeichnet. Die berufliche Tätigkeit war z.B. für folgende nd. Satznamen das Benennungsmotiv: Makebrot, Strykworst, Kokebone, Oltmakerie und Jagetswyn. Als Übernamen können die Satznamen Havedank, Snakevyl, Blifhirnicht, Bitenpennig, Danswol, Varintholt und Rapegold gelten.
Neben diesen Familiennamentypen sind in einigen deutschsprachigen Gebieten besondere Bildungsweisen zu finden. So verweist bspw. H. Taubken (1999, 36) auf die heute noch verbreiteten unverbundenen Doppelnamen des Typus Große Hüttmann, Kleine Hüttmann im Gebiet um Münster. Die dialektale Gebundenheit der Familiennamen äußert sich in Laut- und Formveränderungen sowie in der Bevorzugung bestimmter Suffixe (→ Suffix) zur Ableitung der Familiennamen aus den zu Grunde liegenden Appellativen (→ Appellativ) oder Toponymen (→ Toponym). So wurde bspw. im nordnd. Raum zur Bildung des Familiennamens aus dem Rufnamen des Vaters häufig zunächst der Zusatz son gewählt, welcher später zum Suffix -sen abgeschliffen wurde (Petersen, Detlefsen, Nicolaisen), patronymische Bildungen auf -ing sind vor allem im westnd. Gebiet verbreitet (Nölting aus Arnold) (vgl. Luther 2009).Die regionale Gebundenheit der Bildungsweise der Familiennamen zeigt sich insbesondere bei den Berufsnamen und bei den Namen nach der Herkunft und Wohnstätte (zur Familiennamengeographie vgl. v.a. J. Goossens 1996). Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) entstand „Der deutsche Familiennamenatlas“ (DFA) in Zusammenarbeit des Deutschen Instituts der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit dem Deutschen Seminar der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Die deutschen Familiennamen werden im DFA im Bereich der Bundesrepublik Deutschland auf der Basis von Telefonanschlüssen (Stand: 2005) nach bestimmten Themenkomplexen analysiert und die Ergebnisse in einem sechsbändigen Atlas mit über 2000 kommentierten Karten dargestellt. Sprachwissenschaftlichen Interessen trägt der Atlas durch einen grammatischen Teil (Bände 1, 2 und 3: Vokalismus, Konsonantismus, Morphologie der Familiennamen) Rechnung, siedlungs-, migrations- und kulturhistorischen durch einen lexikalischen Teil (Bände 4, 5 und 6) (http://www.namenforschung.net. Letzter Zugriff: 07.02.2018). Im Digitalen Familiennamenwörterbuch Deutschlands (DFD) wird der komplette Grundbestand der derzeit in Deutschland vorkommenden Familiennamen inklusive der fremdsprachigen lexikographisch erfasst, kartiert und, u.a. mithilfe des Kartenbefundes, z.T. neu etymologisiert (ebd.).
Nach geltendem deutschem Namenrecht kann sowohl der Geburtsname der Frau (Meier) als auch der des Mannes (Schulze) als gemeinsamer Ehename geführt werden. Außerdem kann der jeweilige Geburtsname dem Ehenamen vorangestellt werden (Frau Meier-Schulze oder Herr Schulze-Meier). Seit 1994 sind Ehepartner in der Bundesrepublik nicht mehr verpflichtet, einen gemeinsamen Familiennamen zu führen. Die Regeln gelten auch für die eingetragene Partnerschaft bzw. seit Kurzem auch für die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare (ausführlich zum Familiennamenrecht bei Schwab 2015, 110-134.)
→ Eigenname, → Onomastik, → Personenname
Lit.: Bahlow, H., Metronymika. Frauennamen des Mittelalters als Familiennamen. Ein soziologisches Phänomen. 1976. Ders., Niederdeutsches Namenbuch. 1972. Debus, F., Die Entwicklung der deutschen Familiennamen in sozioökonomischer Sicht. In: Eichhoff, J./Seibicke, W./Wolfssohn, M. (Hrsg.), Name und Gesellschaft. Soziale und historische Aspekte der Namengebung und Namenentwicklung. 2001, 166-178. Ders., Stadtbücher als namenkundliche Quelle. 2000. Duden. Familiennamen. Herkunft und Bedeutung. Bearb. v. R. u. V. Kohlheim.2000.Föllner, U., Personennamen in Ostfalen. In: Dies./Luther, S./Stellmacher, D. (Hrsg.), Der Raum Ostfalen. Geschichte, Sprache und Literatur des Landes zwischen Weser und Elbe an der Mittelgebirgsschwelle. 2015, 349-360. Geuenich, D., Was sind eigentlich Stadtbücher? Versuch einer Definition. In: Debus, F. (Hrsg.), Stadtbücher als namenkundliche Quelle. 2000, 17-29. Gossens, J., Familiennamengeographie. In: Eichler, E./Hilty, G./Löffler, H./Steger, H. Zgusta, L. (Hrsg.), Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. 2. Teilbd. 1996, 1141-1153. Kohlheim, R., Entstehung und geschichtliche Entwicklung der Familiennamen in Deutschland. In: Eichler, E./Hilty, G./Löffler, H./Steger, H. Zgusta, L. (Hrsg.), Namenforschung. 2. Teilbd.1996, 1280-1284. Kunze, K., dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet. 1998.Luther, S., Familiennamen niederdeutscher Herkunft. In: Hengst, K./Krüger, D. (Hrsg.), Familiennamen im Deutschen. 2009, 331-350. Schwab, D., Personenname und Recht. In: Namenkundliche Informationen 105/106.2015, 110-134. Seibicke, W., Die Personennamen im gegenwärtigen Deutsch: Probleme der anthroponymischen Terminologie. In: Debus, F./Seibicke, W. (Hrsg.), Reader zur Namenkunde. Bd. 2: Anthroponyme. 1993, 129-142. Taubken, H., Große Hüttmann – Kleine Wienker – Lütke Schelhove. Zur Verbreitung eines Familiennamentypus. In: Damme, R./Taubken, H. (Hrsg.), Niederdeutsche Wörter. Festgabe für Gunter Müller zum 60. Geburtstag am 25. November 1999. 1999, 35-65. Wagener, P., Stellmacher und Wagener. Zur Frequenz und Geographie der aus der Berufsbezeichnung für den Wagenmacher abgeleiteten deutschen Familiennamen. In: Wagener, P. (Hrsg.), Sprachformen. Deutsch und Niederdeutsch in europäischen Bezügen. Festschrift für Dieter Stellmacher zum 60. Geburtstag. 1999, 349-356. Wagner, W.-E., Herrscherbeinamen in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung. In: Namenkundliche Informationen 103/104.2014, 288-303. Zoder, R., Familiennamen in Ostfalen. 2 Bde. 1968http://www.namenforschung.net (letzter Zugriff: 07.02.2018). SL