Imperativsatz

19.05.2016 -  

[engl. imperative sentence/clause, frz. phrase impérative, russ. повелительное предложение]

Auch: Befehlssatz, Aufforderungssatz. Satz, der (im Dt. und zahlreichen anderen Sprachen) bestimmt ist durch eine syntaktisch-morphologische Form mit fester Wortstellung, d.h. mit finitem Verb im Modus des Imperativs (Imperativ) in Spitzenstellung, gefolgt von Objektphrase(n), Adverbien oder anderen Verbergänzungen, evtl. auch durch abtrennbare Verbpartikeln (Präfix) in Schlussstellung (gib das sofort her!). Für Sätze dieser Art ist charakteristisch, dass das Subjektnomen – ausgenommen bei den Höflichkeitsformen – normalerweise getilgt ist und nur aus der Verbform erschlossen werden kann. Ausnahmen bilden Äußerungen, in denen das Subjektnomen (der Adressat) aus Gründen des textologischen Kontrastes besonders betont wird (Zeig du mir mal deine Arbeit!; Kommen Sie doch mal her!). Die Möglichkeiten zur Besetzung des Vorfeldes ( Vorfeld) sind beim I. stark eingeschränkt, d.h. nicht-adverbiale präverbale Konstituenten sind hier stark markiert (Jetzt komm endlich her!). In Sätzen mit dieser morphysyntaktischen Struktur sind nur bestimmte Modalpartikeln (Abtönungspartikel) zugelassen, z.B. mal, doch, gefälligst, nur sowie betontes ja.

Die pragmatische Funktion von Imperativsätzen. ist „im Normalfall“ bestimmt durch die Aufforderung/den Befehl eines Sprechers an einen Adressaten, eine bestimmte Handlung auszuführen oder zu unterlassen. Im Deutschen gibt es unter syntaktisch-morphologischen Gesichtpunkten verschiedene Konkurrenzformen zu den Imperativsätzen mit derselben bzw. einer ähnlichen pragmatischen Funktion, z.B. Injunktiv, Adhortativ und Jussiv. Der nach der lateinischen Grammatik I. genannte Äußerungstyp wird in privater und autoritativer Kommunikation zwar oft noch für direkte, mit Sanktionsdrohungen verknüpfte Aufforderungen verwendet; in öffentlicher, auf Regeln der Höflichkeit und Kooperation beruhender Kommunikation jedoch steht er selten für Befehle, ganz überwiegend dagegen für Bitten, Empfehlungen bzw. Ratschläge und Wünsche: Nehmen Sie doch noch etwas Kaffee! Halt(e) doch bitte mal meinen Schirm! Nehmen Sie doch ein Taxi! Mach’s gut!. Auch dass-Verb-Letzt-Imperativsätze sind möglich (Dass du mir ja fleißig lernst!), sie werden meist „zum Ausdruck nachdrücklicher, ja drohender, ultimativer Aufforderungen verwendet“ (Altmann 1993, 1024). Bei mit Sanktionsdrohungen verbundenen Befehlen/Aufforderungen werden in öffentlicher Kommunikation meist andere Satzarten verwendet, oft elliptisch verkürzte „Aussagesätze“ des Typs: Rauchen verboten! Bei Brandgefahr Aufzug nicht benutzen! Stillgestanden! Bei Frostwetter bleibt die Haustür verschlossen! Ab 22.00 Uhr herrscht Nachtruhe! usw. In der Praxis werden Aufforderungen häufig indirekt, mit Hilfe entsprechend interpretierbarer Aussagen (Du störst! – ‘Geh weg!’) oder (oft Modalverben enthaltender) Fragen (Können Sie später wieder anrufen? – ‘Beenden Sie jetzt das Gespräch!’, Kommst du mit? – ‘Komm bitte) mit!’) vollzogen ( indirekter Sprechakt).

Imperativ, Aufforderung, Sprechakt, Direktiv, Satzarten

Lit.: Altmann, H., Satzmodus. In: Jacobs, J./Stechow, A. von/Sternefeld, W./Vennemann, Th. (Hrsg.), Syntax. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 1. Halbbd. 1993, 1006-1029. Donhauser, K.: Der Imperativ im Deutschen. 1986. Duden. Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch. 7., völlig neu bearb. Aufl. 2006, § 1398ff. Eisenberg, P., Grundriss der deutschen Grammatik. Der Satz. 4., aktualisierte und überarbeitete Aufl. 2013. Fries, N., Studien zum frei verwendeten Infinitiv und zu verwandten Erscheinungen. 1983. Ders., Zur Syntax des deutschen Imperativs. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 11.1992, 153-188. Hamblin, C., Imperatives. 1987. Helbig, G./Buscha, J., Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. 192001. Rosengren, I., Zur Grammatik und Pragmatik des Imperativsatzes. In: Sprache und Pragmatik 28.1992, 1-57.Winkler, E., Der Satzmodus ‚Imperativ’ im Deutschen und Finnischen. 1990. Wratil, M., Imperativsatz. In: Meibauer, J./Steinbach, M./Altmann, H., Satztypen des Deutschen. 2013, 120-145. JV

 

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