Personenname

12.02.2018 -  

[engl. personal name, frz. nom de personne, russ. имясобственное, антропоним]

Auch: Anthroponym. → Eigenname einer Person oder Personengruppe, dessen wesentliche Funktion darin besteht, seinen Träger zu identifizieren, nicht aber darin, diesen zu charakterisieren. „Die Benennung ist der Ur-Akt der Gruppenbildung, der Stiftung sozialer Zusammenhänge.“ (Stolleis 2015, 18.) Trotz der Fülle namenkundlicher Literatur existiert keine einheitliche Klassifizierung der Personennamen, da zum einen zur Einteilung unterschiedliche Kriterien herangezogen werden und es zum andern „eine einheitliche und verbindliche Terminologie für den Bereich der PN nicht gibt, sondern lediglich den durch Gewohnheit sanktionierten Brauch“ (Hartig 1983, 39). Auch in neueren Klassifizierungs- und Definitionsversuchen (vgl. vor allem Seibicke 1987; 1996; Bauer 1998; Kunze 1998) werden einige anthroponymische Termini unterschiedlich gebraucht. So erklärt bspw. W. Seibicke (1993, 139) den Terminus „Individualname“ als denjenigen Bestandteil des Gesamtnamens ( Gesamtname) einer Person, der einem Kind von den Eltern gegeben wird und der mindestens aus einem Vornamen ( Vorname) besteht. Dagegen gebraucht K. Kunze (1998, 10) „Individualname“ als Oberbegriff für alle menschenbezogenen Namen (also auch für Gesamtnamen, Familiennamen ( Familienname), Pseudonyme, Spitz- und Kosenamen).

Nach Kunze lassen sich die Personennamen in (a) Kollektivnamen, (b) Individualnamen und (c) Gottes- bzw. Götter- sowie Dämonennamen (Jahwe, Thor, Holda) unterteilen. Unter Kollektivnamen werden Völker- und Stammesnamen (Ethnonyme) (Sachsen, Schwaben), Ortsbewohnernamen (Magdeburger, Braunschweiger), Sippennamen (Ottonen, Hohenstauffer) und Familiennamen (Schröder, Schneider) gefasst, wobei die letzteren auch unter die Individualnamen subsumiert werden können. Nach F. Debus (2015, 34) gehören die Familiennamen zur anthropologischen Grundausstattung eines Individuums, sind aber zugleich Gruppenbenennungen. Kunzes Klassifizierungsmodell bietet den Vorzug, bei der Zuordnung der Familiennamen zu den Individualnamen sowohl die historische Einnamigkeit als auch die heutige Mehrnamigkeit zu berücksichtigen. In Bezug auf die historische Einnamigkeit werden Rufnamen ( Rufname) von Beinamen ( Familienname) unterschieden. In Hinsicht auf die seit dem Spätmittelalter im deutschen Sprachraum verbreitete Mehrnamigkeit trennt Kunze die „offiziellen“ von den „inoffiziellen“ Personennamen. Zu den offiziellen Namen gehören die Gesamtnamen von Personen, die im deutschen Sprachraum in der Regel aus einem oder mehreren Vornamen ( Vorname) und dem Familiennamen bestehen. Zu den inoffiziellen Namen zählen die Übernamen (Spitz-, Spott- und Kosenamen) und die Nebennamen (Pseudonyme, Künstlernamen), wobei die letzteren auch amtlich geschützt werden können. (Vgl. Gläser 2009, 503-526) Das Pseudonym erlebt gegenwärtig durch die Kommunikation im Internet eine Renaissance. Viele Internetnutzer legen sich insbesondere bei der Kommunikation in Chat-Räumen mehrere Pseudonyme, sog. Nicknamen (nicknames), aus verschiedenen semantischen Feldern zu (Film: Spock; Computer: Cybergirl, Produkte: BigMac) (vgl. Runkehl/Schlobinski,/Siever 1998, 86). Da die Nicknamen jedoch frei wählbar sind, dienen sie in keiner Weise der Identifizierung der Internetnutzer (erfüllen insofern ein zentrales Personennamenkriterium nicht), sondern können sogar zu solchen internetspezifischen Phänomenen in der Kommunikation wie z.B. dem Gender-switching führen.

Wie andere Eigennamen können auch Personennamen durch Antonomasie zu Appellativen/Substantiven ( Appellativum), Verben (Verb) und Adjektiven ( Adjektiv) werden, oder anders gesagt: Diese können von Personennamen abgeleitet werden. Hierbei wird u.a. das Appellativum (die Gattungsbezeichnung) durch den Personennamen eines typischen Vertreters der entsprechenden Gattung ersetzt, wobei insbesondere metonymische Beziehungen ( Metonymie) eine große Rolle spielen. So wird bspw. der Familienname des Reformators Martin Luther als Bezeichnung der Anhänger der reformierten Kirche verwendet: Luther > Lutheraner, der Name des für seinen Reichtum bekannten persischen Kaisers Kroesus zum Gattungsnamen mit der Bedeutung ‘unermeßlich reiche Person’ oder der Name Caesar zum Appellativum Kaiser. Aber auch Verben und Adjektive können aus Familiennamen entstehen: Wilhelm Conrad Röntgen > röntgen, Franz Kafka > kafkaesk). Von Rufnamen (oder von Teilen von Rufnamen) können ebenso Appellative abgeleitet werden (Ruprecht > Rüpel, -bald wie in Sigibald > Witz-, Sauf- und Raufbold). (Vgl. Schützeichel in Gottschald 1982, 71ff.; Bruderer 1993, 541ff.; Fleischer 1993, 253ff.)

Die Orthographie von Personennamen (insbesondere der Vor- und Familiennamen) ist im deutschen Sprachgebiet obrigkeitsstaatlich geregelt, wobei die Schreibung nicht den allgemeinen Richtlinien der Orthographie folgt, sondern nach dem „Versteinerungszeitpunkt“ festgelegt ist. (Vgl. Koss 1999, 208ff.)

Im Laufe der Neuzeit entwickelten sich unterschiedliche Interessen, die zur Bildung eines Namenrechtes in Deutschland führten (wie Identifikations- und Ordnungsinteresse des Staates, Sicherung der Individualität und Identität einer Person sowie Sicherung der ständisch-familiären Ordnung). Das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896 fügte schließlich in das allgemeine Personenrecht eine Schutzvorschrift für Namen ein, die bis heute unverändert gilt. Jedoch wurden im Laufe der Zeit zahlreiche Veränderungsschritte vollzogen, die sich vor allem auf Rechtsvorschriften über das Führen des Ehenamens und der Vornamen beziehen ( Familienname, Vorname). (Vgl. Schwab 2015)

Seit dem auf Veranlassung J. Grimms entstandenen grundlegenden Altdeutschen Namenbuch von E. Förstemann (1854/59) sind zahlreiche allgemeine (z.B. Kohlheim/Kohlheim 2000) und regionale (z.B. Zoder 1968) Personennamenwörterbücher erschienen, in denen die Herkunft und die ursprüngliche Bedeutung der Namen (insbesondere der Familiennamen) erklärt werden. (Vgl. Wissenschaftshistorischer Überblick bei Seibicke 1993, 93ff., Kunze 1998, 198ff. sowie Kohlheim/Kohlheim 2004, 696ff.) Digitale Portale erleichtern den Nutzern den Zugang zu Häufigkeits-, Verteilungs- und etymologischen Daten (z. B.

http://www.namenforschung.net/dfd/woerterbuch/liste).

Neben den vor allem sprachgeschichtlich orientierten Forschungen zu den Personennamen sind in den letzten Jahren verstärkt sozio- und psychoonomastische Untersuchungen durchgeführt worden ( Onomastik).

Nebenname, Pseudonym, Spitzname, Übername

Lit.: Bach, A., Deutsche Namenkunde I: Die deutschen Personennamen. 21952/53. Bauer, G., Deutsche Namenkunde. 2. überarb. Aufl. 1998. Bruderer, H., Von Personennamen abgeleitete Verben. In: Debus, F./Seibicke, W. (Hrsg.), Reader zur Namenkunde. Bd. 2: Anthroponyme. 1993, 541-554. Debus, F./Seibicke, W. (Hrsg.), Reader zur Namenkunde. Bd. 2: Anthroponyme. 1993. Duden. Familiennamen. Herkunft und Bedeutung. Bearb. Von R. und V. Kohlheim. 2000. Debus, F., Was ist ein Name? In: Namenkundliche Informationen 105/106.2015, 31-46. Eichhoff, J./Seibicke, W./Wolffsohn, M., Name und Gesellschaft. Soziale und historische Aspekte der Namengebung und Namenentwicklung. 2001. Eichler, E./Hilty, G./Löffler, H./Steger, H. Zgusta, L. (Hrsg.), Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. 2 Bde. und Registerband. 1995-96. Fleischer, W., Deonymische Derivation. In: Debus, F./Seibicke, W. (Hrsg.), Reader zur Namenkunde. Bd. 1: Namentheorie. 1989, 253-261. Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch. 2 Bde. 1854/59 [3., erw. Aufl. 1913/16]. Föllner, U., Personennamen in Ostfalen. In: Dies./Luther, S./Stellmacher, D. (Hrsg.), Der Raum Ostfalen. Geschichte, Sprache und Literatur des Landes zwischen Weser und Elbe an der Mittelgebirgsschwelle. 2015, 349-360. Franz, K./Greule, A. (Hrsg.), Namenforschung und Namendidaktik. 1999. Gläser, R., Familiennamen und Pseudonyme. In: Hengst, K./Krüger, D. (Hrsg.), Familiennamen im Deutschen. Erforschung und Nachschlagewerke. 1. Hbd. 2009, 503-526. Gottschald, M., Deutsche Namenkunde. Unsere Familiennamen. 5. verb. Aufl. mit einer Einführung in die Familiennamenkunde von R. Schützeichel. 1982. Hartig, J., Zur Terminologie der deutschen Personennamenforschung. 1983. Kohlheim, R./Kohlheim, V., Personennamen. In: Brendler, A./Brendler, A. (Hrsg.), Namenarten und ihre Erforschung. Ein Lehrbuch für das Studium der Onomastik. 2004, 671-704. Koss, C., Die Recht-Schreibung von Eigennamen. Ein Beitrag zur Orthographie und Onomastik. In: Franz, K./Greule, A. (Hrsg.), Namenforschung und Namendidaktik. 1999, 208-217. Koß, G., Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik. 21996. Kunze, K., dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet. 1998. Luther, S., Familiennamen niederdeutscher Herkunft. In: Hengst. K./Krüger, D. (Hrsg.), Familiennamen im Deutschen. 2009, 331-350. Runkehl, J./Schlobinski, P./Siever, T., Sprache und Kommunikation im Internet. Überblick und Analysen. 1998. Seibicke, W., Lexikographie deutscher Personennamen. In: Debus, F./Seibicke, W. (Hrsg.), Reader zur Namenkunde. Bd. 2: Anthroponyme. 1993, 93-127. Ders., Die Personennamen im Deutschen. 1982. Ders., Die Personennamen im gegenwärtigen Deutsch: Probleme der anthroponymischen Terminologie. In: Debus, F./Seibicke, W. (Hrsg.), Reader zur Namenkunde. Bd. 2: Anthroponyme. 1993, 129-142. Stolleis, M., Die Benennung der Welt. In: Namenkundliche Informationen 105/106.2015, 15-30. Schwab, D., Personenname und Recht. In: Namenkundliche Informationen 105/106.2015, 110-134. Zoder, R., Familiennamen in Ostfalen. 2 Bde. 1968. http://www.namenforschung.net/dfd/woerterbuch/liste (letzter Zugriff: 31.01.2018). SL

 

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