Semasiologie
[engl. semasiology, frz. sémasiologie, russ. семасиология] (griech. σῆμα, σημεῖον ‘Zeichen’)
Eigentlich: ‘Bedeutungslehre’.
- Im 19. Jh. (zuerst bei Chr. K. Reisig [1839]) und noch bis hin zu H. Kronasser (1952) und K. Baldinger (1957) in der Sprachwissenschaft üblicher Terminus für heutiges → Semantik, das in anderen Disziplinen überwog, z.B. in der Philosophie. Untersucht wurde vor allem der → Bedeutungswandel.
- Im linguistischen → Strukturalismus eingeengt auf diejenige Methode/Teildisziplin innerhalb der linguistischen Semantik, die (in diachroner wie synchroner Perspektive), vom Zeichenkörper, d.h. vom → Bezeichnenden ausgehend, den Einzellexemen ihre verschiedenen Teilbedeutungen (→ Semem) zuzuordnen und Wortfeldbeziehungen (→ Wortfeld) zu ermitteln sucht, → Onomasiologie. Für K. Heger (1964) wird in der semasiologischen Vorgehensweise die aus der Summe ihrer Sememe gebildete Gesamtbedeutung eines Lexems als gegebene Art betrachtet, zu der Gattung und → differentia specifica zu suchen sind, die diese Art bestimmen. Ausgehend etwa von den Wortformen Sitzmöbel, Stuhl, Hocker, Sessel, Bank, Sofa werden semantische Merkmale (→ Sem) wie ‘Möbel zum Sitzen’, ‘für eine Person’, ‘mit Rückenlehne’, ‘ohne Rückenlehne’, ‘mit Polsterung’, ‘für mehrere Personen’, ‘ohne Polsterung’ ermittelt. Sitzmöbel erweist sich dabei als Oberbegriff (→ Archilexem, → Hyperonym), dessen Semem allen anderen Mitgliedern des lexikalischen Paradigmas als Sem gemeinsam ist. Alle anderen semantischen Merkmale sind demgegenüber als differentiae specificae zu bestimmen. Bei H. Henne/H.E. Wiegand (1969), H.E. Wiegand (1970) und H. Henne (1972) wird gezeigt, wie erst das Zusammenspiel onomasiologischer und semasiologischer Verfahren ein systematisches und analytisches Herausarbeiten der semantischen Merkmale ermöglicht. Alle alphabetische → Lexikographie ist semasiologisch.
Lit.: Baldinger, K., Die Semasiologie. Versuch eines Überblicks. 1957. Heger, K., Die Semantik und die Dichotomie von Langue und Parole. Neue Beiträge zur theoretischen Standortbestimmung von Semasiologie und Onomasiologie. In: ZRPh 85.1969, 144-215. Henne, H., Semantik und Lexikographie. 1972. Henne, H./Wiegand, H.E., Geometrische Modelle und das Problem der Bedeutung. In: ZDL 38.1971, 47-63. Kronasser, H., Handbuch der Semasiologie. 1952. Lange, K.-P., Die Behandlung der Wortbedeutung in der Geschichte der Sprachwissenschaft. In: Cruse, A./Hundsnurscher, F./Job, M./Lutzeier, P.R. (Hrsg.). Lexikologie. Ein internationales Handbuch zur Natur du Struktur von Wörtern und Wortschätzen. 1. Halbbd. 2002, 237-244. Reisig, Chr.K., Vorlesungen über lateinische Sprachwissenschaft. 1839. Schippan, Th., Einführung in die Semasiologie. Leipzig 1972. Wiegand, H.E., Synchronische Onomasiologie und Semasiologie. In: GL 3.1970, 243-383. AB