Wortnische
Auch: semantische Nische, Bedeutungsnische. Klassifikationsmenge innerhalb der gestaltbezogenen Wortlehre im Rahmen der → Sprachinhaltsforschung (→ inhaltbezogene Grammatik). Wortnischen sind mit dem gleichen → Affix (→ Präfix, → Suffix) gebildete Wörter, die sich in bestimmte Inhalts- oder Bedeutungsgruppen einordnen lassen: „innerhalb eines Ableitungstyps Untergruppen, bei denen sich ein enger bedeutungsmäßiger Zusammenhang zeigt“ (Weisgerber 1958,15). Die Funktionen der Affixe geben hierbei über die Bedeutung des betreffenden Wortes nur begrenzt Aufschluss, jedoch sind innerhalb der Gruppen semantisch zusammengehörige Untergruppen mit gleichem Ableitungstyp erkennbar (z.B. Berufsbezeichnungen auf -er: Lehrer, Müller, Schneider, Gerber). Dieser Ableitungstyp legt eine Gleichgerichtetheit des inhaltlichen Ausbaus nahe. Einem bestimmten Affix können jedoch mehrere Wortnischen „unterstehen“, z.B. Präfix be-: 1. Versehen mit etwas (bepflanzen, besolden); 2. eine Handlung bis zu einem bestimmten Endpunkt durchführen (besteigen, beliefern); 3. Veränderung eines (präsupponierten) Zustands (befreien, beruhigen). Die Klassifikation von Wortnischen bildet eine wichtige Voraussetzung für den Übergang zu einer inhaltsbezogenen Wortbildungslehre.
Lit.: Miller, R.M., The Linguistic Relativity Principle and Humboldtian Ethnolinguistics. A History and Appraisal. 1968. Weisgerber, L., Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung von Menschen und Sachen. 1958. Ders., Die vier Stufen in der Erforschung der Sprachen. 1963. FH