Vokativ
Auch: Anredefall, Anredekasus. Ein → Kasus, der bei einem Anruf (Kontakt zwischen Sprecher und angesprochener Person wird hergestellt) oder bei einer → Anrede (Kontakt zwischen Sprecher und angesprochener Person wird aufrechterhalten) verwendet wird und die vom Sprecher angesprochene Person kennzeichnet. Einen V. besitzen die ide. Sprachen älterer Sprachstufe, wie z.B. Latein und Alt-Griechisch (vgl. lat. Serve...! ‘Du, Sklave...’, von servus‘Sklave’), aber auch neuere Sprachen wie Neugriechisch und Russisch (Bsp. im Russ.: Боже мой!‘Mein Gott!’) sowie die meisten slawischen Sprachen. Im Deutschen übernimmt meist der → Nominativ die Funktion des Vokativs. Ein solcher Fall ist → eine Nominalphrase bzw. eine Nominalgruppe im Nominativ, die einen eigenen satzwertigen Ausdruck bildet und somit kein Bestandteil des Satzes ist, bei dem sie steht. In geschriebener Sprache wird diese Abtrennung immer durch ein jeweiliges Satzzeichen gezeigt (Bsp.: Schatz, kommst du mal her?; Schatz ist hier ein → Anredenominativ, der die Funktion des Vokativs wahrnimmt). Falls der Anredenominativ zusätzlich ein Subjektnominativ ist und mit Interjektionen (→ Interjektion) oder verwandten Partikeln (→ Partikel) verwendet wird, ist ein Satzzeichen vor ihm fakultativ (Bsp.: Na(,) Andreas, was machst du jetzt?, Ach(,) Richard, ich freue mich für dich). Reste des Vokativs findet man auch in der italienischen Anrede mit Titeln: Professore, Dottore, Ingeniere (wobei diese Form allerdings die Grundform geworden ist).
Lit.: Anstatt, T., Der slavische Vokativ im europäischen Kontext. In: Linguistische Beiträge zur Slavistik XV.2008, 9-26. Online: https://dbs-lin.ruhr-uni-bochum.de/lotman/download.php?f=6964699fad7b9b1cdaf42a117deac550&target=0 (Letzter Zugriff: 05.03.2017, 20:55) Duden. Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch. 7., völlig neu erarb. u. erw. Aufl. 2006, 822.Hentschel, E./Weydt, H., Handbuch der deutschen Grammatik. ²1994. Kirschbaum, E-G., Grammatik der Russischen Sprache. 2004, 151. VA