Hydronym
Gewässername. Die Hydronyme bilden eine Untergruppe der geographischen Namen (Ortsnamen im weiten Sinne), zu denen auch die Siedlungsnamen (Ortsnamen im engen Sinne), Flurnamen (einschl. Namen von Forstorten), Länder- und Landschaftsnamen (Deutschland, Württemberg, Lausitz), Namen von Bergen (Watzmann), Gebirgen (Alpen), Höhenzügen (Kyffhäuser) sowie die Wege- und Straßennamen zählen. Im Zentrum hydronymischer Forschung stehen im dt. Sprachgebiet die Flussnamen, doch gehören zu den Hydronymen auch die Namen stehender Gewässer, d.h. die von Meeren und Meeresteilen (Nordsee, Jadebusen, Fehmarnbelt, Jasmunder Bodden), Binnenseen (Müritz, Steinhuder Meer, Tegernsee) und Kanälen.
Innerhalb der dt. Flussnamen lassen sich prototypisch drei Altersschichten unterscheiden:
- Flussnamen, deren Kompositionsglieder entweder noch heute als Appellativa existieren und die deshalb relativ jung sein können, wie z.B. Mühl-bach, Stein-graben, oder aber sich als Appellativa aus älteren Stufen der dt. Sprache bestimmen lassen, z.B. Salz-ach (enthält ahd. aha ‘Fluss’);
- Flussnamen, deren Bestandteile sich bei einer historischen Analyse zwar nicht als dt., aber doch zweifelsfrei als germ. Wörter (bzw. Morphemkomplexe) erweisen, z.B. Schunter (803 Scuntra, Nfl. der Oker bei Braunschweig), aus germ. *skuntra, Fem. eines mit r-Erweiterung gebildeten germ. Adj. *skunt-ra-s ‘schnell, eilig’. Dieses Adj. ist nur in Hydronymen (auch: Schondra, Nfl. der Fränkischen Saale) belegt, die (im Dental leicht variierende) Wurzel germ. *skund- jedoch auch appellativisch, so in ahd. scunden ‘antreiben, nötigen, drängen’, schwed. skynda sig ‘sich beeilen’. Flussnamen dieser Schicht sind, soweit man nicht mit zufällig mangelnder Überlieferung der betreffenden appellativischen Morpheme rechnen muss, in vordeutscher, aber doch bereits germanischer Zeit entstanden. In Parallele hierzu gibt es in den zeitweise slavisch gewesenen und den vormals keltischen Gebieten des dt. Sprachbereichs Flussnamen, denen appellativische Elemente dieser beiden Sprachen zugrunde liegen, so z.B. die Namen Schwentine (Zufluss zur Kieler Förde; < altpolab. *svetina ‘die Heilige’, vgl. poln. śvięty ‘heilig’) und Glan (Nfl. der Nahe, weitere Glan außerdem in Westdeutschland, Bayern und Österreich; der Name enthält kelt. *glan ‘rein, hell’);
- Die älteste Schicht der im dt. Sprachbereich vorhandenen Hydronyme bilden jene Namen, deren Bestandteile sich weder als dt. noch als germ. (bzw. slav. oder kelt.) bestimmen lassen, aber gleichwohl sichtbar idg. Charakter tragen. Zu dieser Schicht, deren Ursprung älter ist als die Ausgliederung des Germ., Kelt., Slav., Balt. und Italischen aus dem gemeinsamen Idg., gehören Flussnamen wie Aller, Iller, Ilm, Ilse (zu idg. *el-/*ol- ‘fließen, strömen’); Isar (zu idg. *eis-/*ois-/*is- ‘sich heftig, schnell bewegen’). Charakteristisch für Flussnamen dieser Schicht (→ Alteuropäische Hydronymie) ist es, dass sie Entsprechungen in weiten Teilen Europas besitzen: Der Ilm entspricht etymologisch die Elmė (Litauen), der Isar die Isère (Nfl. der Rhône).
→ Appellativum, → Eigenname, → Flurname, → Siedlungsname, → Onomastik
Lit.: Greule, A., Deutsches Gewässernamenbuch. 2014. Krahe, H., Unsere ältesten Flußnamen. 1964. Udolph, J., Altgermanische Hydronymie I. In: Beck, H./Steuer, H./Timpe, D. (Hrsg.), Germanen, Germania, Germanische Altertumskunde. Studienausgabe. 1998. HB