Redekonstellation
In der → Gesprächsforschung verschiedene Kriterien umfassender Begriff zur Klassifizierung von Gesprächen. Der Terminus umfasst die in einem kommunikativen Akt (→ Kommunikation) eine Zeitspanne lang unveränderte Kombination außersprachlicher Verhaltenselemente, die das sprachliche Verhalten von Kommunikationsteilnehmern beeinflussen (vgl. Funkkolleg Sprache 1973, 242ff., insb. 250; dazu auch Linke/Nussbaumer/Portmann 2001, 289). Im Rahmen der pragmatischen Wende (→ Pragmatik) in der Linguistik zu Beginn der 1970er Jahre kam es zu einer fundamentalen Änderung der Theoriebildung und Analyse in der Gesprächsforschung: Situative und kommunikativ-funktionale Aspekte gewannen ebenso wie die Analyse des dialogischen Kontextes an Bedeutung. Das Freiburger Redekonstellationsmodell nach H. Steger (Forschungsstelle „Gesprochene Sprache“ in Freiburg, 1966) kann als erster Schritt in diese Richtung angesehen werden (vgl. Brinker/Sager 1996, 15) und umfasst folgende Kriterien zur Beschreibung der sozialen Situierung (dazu auch: Schank/Schoenthal 1983, 39): Sprecherzahl, Zeitreferenz, Verschränkung von Text und sozialer Situation, Rang, Grad der Vorbereitetheit, Zahl der Sprecherwechsel, Themafixierung, Modalität der Themenbehandlung und den Öffentlichkeitsgrad. Dabei bilden Redekonstellationen mit gleichen oder annähernd gleichen Merkmalsausprägungen einen → Redekonstellationstyp, dem die „Textsorte“ als Klasse von Textexemplaren (→ Text) zugeordnet wird (vgl. Brinker/Sager 1996, 110). Es werden sechs Redekonstellationstypen mit den jeweils zugeordneten Textsorten (wie etwa Vortrag, Diskussion, Smalltalk usf.) als Konstrukte unterschieden. An dem Freiburger Redekonstellationsmodell wird die fehlende Homogenität in Bezug auf die sprachtheoretischen Ebenen sowie das Problem der Vollständigkeit kritisiert (vgl. ebd., 111).
Das in Einführung in die Gesprächsanalyse angebrachte Redekonstellationsmodell von Henne und Rehbock stellt eine Weiterentwicklung des Freiburger Modells dar. Zunächst werden dort „soziologisch relevante“ Gesprächsbereiche unterschieden: „Gesprächsbereiche erfüllen für die Mitglieder der Gesellschaft je spezifische Funktionen (Zwecke) und sind demnach finalistisch, d.h. durch die Ziele und Zwecke der Gesprächsteilnehmer begründet.“ (Henne/Rehbock 2001, 23) Als Gesprächsbereich nennen Henne und Rehbock u.a. die persönliche Unterhaltung, Kauf- und Verkaufsgespräche, Diskussionen, Mediengespräche, Beratungsgespräche usf. (Ebd., 24) Diese Bereiche werden sodann kommunikativ-pragmatisch fundiert und einem Gesprächstyp zugeordnet, indem ein Kategorieninventar etabliert wird, „das wesentliche Merkmale und Aspekte der Gesprächskommunikation enthält.“ (Ebd., 25) Gesprächstypen sind demnach die kommunikativ-pragmatische Veranschaulichung der Gesprächsbereiche. Die kommunikativ-pragmatischen Kategorien sind: 1. Gesprächsgattungen, 2. Raum-Zeit-Verhältnis (situationeller Kontext), 3. Konstellation der Gesprächspartner, 4. Grad der Öffentlichkeit, 5. Soziales Verhältnis der Gesprächspartner, 6. Handlungsdimensionen des Gesprächs, 7. Bekanntheitsgrad der Gesprächspartner, 8. Grad der Vorbereitetheit der Gesprächspartner, 9. Themafixiertheit des Gesprächs und 10. Verhältnis von Kommunikation und nicht-sprachlichen Handlungen. Diese Kategorien werden nochmals in Subkategorien unterteilt (z.B. Kategorie 7 in: vertraut, befreundet/gut bekannt, bekannt, flüchtig bekannt oder unbekannt). Mit Hilfe dieses Kategorieninventars soll eine klassifikatorische Zuordnung bestimmter Gespräche zu entsprechenden Gesprächstypen ermöglicht werden. (Ebd. 2001, 26f.)
→ gesprochene Sprache, → Gesprächsanalyse
Lit.: Brinker, K./Sager, S.F., Linguistische Gesprächsanalyse. Eine Einführung. 21996. Funkkolleg Sprache. Eine Einführung in die moderne Linguistik. Bd. 2. 1973. Henne, H./Rehbock, H., Einführung in die Gesprächsanalyse. 4., durchges. u. bibl. erg. Aufl. 2001 (= De Gruyter Studienbuch). Linke, A./Nussbaumer, M./ Portmann, P.R., Studienbuch Linguistik. 42001. Schank, G./Schoenthal, G., Gesprochene Sprache. Eine Einführung in Forschungsansätze und Analysemethoden. 21983. Steger, H./Deutrich, H./Schank, G./Schütz, E., Redekonstellation, Redekonstellationstyp, Textexemplar, Textsorte im Rahmen eines Sprachverhaltensmodells. Begründung einer Forschungshypothese. In: Moser, H. (Hrsg.), Gesprochene Sprache. 1974, 39-97. JW