Aktuelles aus der Germanistischen Linguistik
Dr. François Conrad: Gastvortrag am 10.01.2024 13.15 Uhr c.t. -15 Uhr im Raum 338
Die Stadtsprache Hannovers
Ein seit etwa 200 Jahren weitverbreiteter sprachlicher Mythos lautet, in und um Hannover werde das „beste“ Hochdeutsch gesprochen. Nur wenige empirische Studien haben bislang aus synchroner Sicht untersucht, ob diesem Mythos eine sprachliche Realität – etwa eine tatsächlich kaum lokal oder regional gefärbte Aussprache des kodifizierten Standarddeutsch – zugrunde liegt.
Das DFG-Projekt „Die Stadtsprache Hannovers“ analysiert den Mythos im Kontext der real-sprachlichen Landschaft Hannovers: Um ein möglichst vollständiges Bild der stadtsprachlichen Sprachlagen zu erlangen, werden in einem mehrgliedrigen Sprachexperiment Sprachdaten von Hannoveranern und Hannoveranerinnen erhoben und im Hinblick auf standardkonforme und standard-divergente Elemente untersucht.
Tagungsbericht zum Kolloquium am 07.11.2023 zum Thema „Niederdeutsch in Sachsen-Anhalt – NiSA“
Die Arbeitsstelle Niederdeutsch der OVGU Magdeburg hatte zum 07. November in den Senatssaal der Universität eingeladen, um erste Ergebnisse des Forschungsprojektes NiSA vorzustellen und zu diskutieren. Gekommen waren sowohl Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch Laien, die sich der niederdeutschen Sprache in Sachsen-Anhalt auf unterschiedliche Weise verbunden fühlen, aber auch Mitglieder des zuständigen Referats des Ministeriums für Kultur.
Prof. Kersten Roth, Lehrstuhl Germanistische Linguistik an der FHW der OVGU Magdeburg und Leiter der Arbeitsstelle Niederdeutsch, ging in seiner Begrüßungsansprache auf die aktuelle Bedeutsamkeit und Verwendungsweise des Niederdeutschen ein. Dabei nahm er Bezug auf eine aktuelle Bibelübersetzung und wies auf die Situation in der Sprachregion Sachsen-Anhalts hin. Hier an der Binnengrenze des Niederdeutschen böten sich besonders interessante Konstellationen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem Hochdeutschen und dem Niederdeutschen, aber auch hinsichtlich des damit in Verbindung stehenden Ablösungs- oder Veränderungsprozesses. Auch diesen Fragestellungen widmet sich das Projekt NiSA.
Christian Sadel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am NiSA-Projekt, stellte in seinem Beitrag „Niederdeutsch in Sachsen-Anhalt – die Basis eines Projekts“ dar, welche vorangegangenen Untersuchungen und Forschungsergebnisse wesentliche Grundlagen für das aktuelle Projekt sind. Auch zu der spezifischen methodischen Anlage sowie ersten Ergebnissen gab er Auskunft.
Zum Thema „Ortsidentität und Niederdeutsch am Beispiel Gladigau“ sprach Alicia Gauter von der Arbeitsstelle Niederdeutsch. Auf der Grundlage von Interviews mit Sponsoren und Sponsorinnen der Laienbühne „Dorftheater Gladigau“ stellte sie vor, welche Haltungen und Einstellungen zum Niederdeutschen sich herausstellten und welche Funktionen des Niederdeutschen sich in diesem speziellen Kommunikationsbereich herauskristallisierten.
Lili Wiechert, Masterstudentin im Lehramt Deutsch an der OVGU Magdeburg, stellte Ergebnisse ihrer Bachelorarbeit „Untersuchungen zum Niederdeutschen in Westerhausen“ vor. Recht erstaunlich waren die relativ hohe niederdeutsche Sprachkompetenz sowie positive Einstellungen zur Regionalsprache, die sich durch eine direkte Fragebogenerhebung ergaben. Dabei spielte sicherlich eine Rolle, dass es eine sehr gute Unterstützung vor Ort gab.
Hendrik Harsdorf, Lehramtsstudent an der MLU/Halle (Saale), der in Kooperation mit dem NiSA-Team seine Staatsexamensarbeit „Untersuchung zum Status des Niederdeutschen bei Schülerinnen und Schülern in Altmark, Börde und Harz“ verfasst hatte, sprach über methodische Anlage und Ergebnisse dieser Arbeit. Es überraschte einerseits die positive Einstellung der befragten Kinder (Altersgruppe ca. 14 Jahre) zum Niederdeutschen, andererseits die zumindest unerwartet höhere Sprachkompetenz, wie sie sich bspw. im Gebrauch von niederdeutschen Einzelwörtern oder Wendungen zeigte.
In ihrem zweiten Vortrag befasste sich Alicia Gauter von der Arbeitsstelle Niederdeutsch an der OVGU Magdeburg erneut mit dem Dorftheater Gladigau und stellte erste Ergebnisse einer linguistische Diskursanalyse hierzu vor. Insbesondere wurde die mediale Berichterstattung in der regionalen Presse in den Blick genommen. Es zeigte sich u. a., dass das Niederdeutsche zur Stärkung der regionalen Identität sowie der Ortsidentität Gladigaus funktionalisiert wird.
Das Niederdeutsche wird dabei in einen (klein-)kulturellen Bereich eingebettet sowie eher als Sprache der Gelegenheit und nicht als Sprache der alltäglichen Kommunikation angesehen. Zusätzlich zeichnet sich das Niederdeutsche durch eine humoristische Kontextualisierung innerhalb der Berichterstattung aus. Zwar wird das Niederdeutsche in der Regionalpresse vereinzelt als (Regional-) Sprache bezeichnet, trotzdem überwiegt die Bezeichnung als „Mundart“, sodass fraglich ist, ob das Niederdeutsche von den Produzierenden als eigenständige Sprache angesehen wird. Eher scheint sie als mundartliche Sprachform definiert zu werden.
Christian Sadel, Arbeitsstelle Niederdeutsch an der OVGU Magdeburg, sprach im abschließenden Vortrag „Von Straßennamen und Laienbühnen – zum Status einer Regionalsprache“. Er gab einen Überblick über die große Vielfalt, in der das Niederdeutsche in Sachsen-Anhalt existiert. Es stellte sich bei den bisherigen Untersuchungen bereits heraus, dass die Regionalsprache ein hohes identitätsstiftendes Potential besitzt, eine enge Bindung an den ländlichen Raum existiert und sie als Kulturmedium funktioniert. Es lassen sich interessante soziolinguistische Aspekte in diesem Zusammenhang beobachten, so z. B. dass das Niederdeutsche als Basis sozialer Gefüge eine erhebliche Rolle spielt, Geschlechterparität im Kommunikationsgefüge existiert, die Sprache als Alleinstellungsmerkmal fungiert und die Sprachverwendung als Ausdruck eines historischen Bewusstseins erscheint. Für die Sprachwissenschaft besonders ertragreich könnten zukünftige Untersuchungen zur Funktion des Niederdeutschen im Hinblick auf Inklusion oder Exklusion sein.
Neben den beschriebenen Vorträgen waren auch die jeweils anschließenden kurzen Diskussionsrunden für alle Anwesenden ertragreich. So sollte dieses Format des Kolloquiums auch im weiteren Verlauf des NiSA-Projektes genutzt werden.
Studentische Hilfskraft gesucht
Die Arbeitsstelle Niederdeutsch sucht eine studentische Hilfskraft, die von Mitteln des Landesheimatbundes bezahlt wird.
Bei inhaltlichen und organisatorischen Fragen zur ausgeschriebenen Stelle wenden Sie sich bitte an: Dr. Saskia Luther, saskia.luther@ovgu.de oder luther@lhbsa.de, 0391-6756645 oder 01792227945, G40-373.
Ihre Bewerbung richten Sie bitte bis zum 27.10.2023 ebenfalls an die genannten Mailadressen.
Neue Mitarbeiterin im Projekt Niederdeutsch in Sachsen-Anhalt
Neue Mitarbeiterin im Projekt Niederdeutsch in Sachsen-Anhalt
Einladung zur Tagung
Name und Öffentlichkeit
Namen begegnen uns überall, sei es als Personennamen, Ortsnamen, Straßennamen, Flurnamen, Warennamen, Völkernamen, Institutions-oderVereinsnamen, um nur einige zu nennen. Seit nunmehr 20 Jahren bilden insbesondere Familiennamen und Flurnamen ein Tätigkeitsfeld der Arbeitsstelle Niederdeutsch und des Landesheimatbundes Sachsen-Anhalt e. V. Als Ausdruck von Identitäten spielen Namen auch für die Untersuchungen der Arbeitsstelle linguistische Gesellschaftsforschung der OvGU Magdeburg eine Rolle. Aus dem gleichen Grund ist ebenso die Gesellschaft für deutsche Sprache an Namen und Benennungsvorgängen interessiert. Dies soll zum Anlass genommen werden, um mit der Öffentlichkeit wie z. B. Ortschronisten und Familienforschern über verschiedene Aspekte dieses Themas zu diskutieren.
Weitere Informationen und den Flyer finden Sie hier: Einladung zur Tagung
Erfolgreicher Workshop der Sexismuslots*innen
Am Mittwoch, den 7. September, nahmen 15 Studierende verschiedener Fakultäten erfolgreich am Peer-to-Peer-Workshop der Sexismuslots*innen teil. Gemeinsam lernten sie verschiedene Arten von Sexismus kennen, sprachen über Situationen im universitären Alltag, in denen Sexismus gehäuft erlebt wird, übten gemeinsam Situationen einzuschätzen und diskutierten über Strategien, bei konkreten Vorkommnissen einzugreifen. Geleitet wurde der Workshop von einer Vertreterin der Fachschaft Germanistik, die in dem Projekt „Sexismuslots*innen“ der Arbeitsstelle für linguistische Gesellschaftsforschung der OvGU in Zusammenarbeit mit der Fachschaft zur Workshopleiterin ausgebildet wurde. Seit einem Jahr wird das Projekt durch das Büro für Gleichstellungsfragen der OvGU finanziert und dient der Sensibilisierung gegenüber sexistischem Verhalten, aber auch gegenüber der emotionalen öffentlichen Debatte.