Aktuelles aus der Germanistischen Linguistik
Linguistische Stadtrundgänge zu den Themen „Politik im öffentlichen Raum“ und „(Protest gegen) Gentrifizierung“ in Berlin
Von Jella Busche und Désirée Grossmann
Die Erarbeitung von „linguistischen Stadtrundgängen“ im Zuge zweier Master-Seminare bei Frau Kuck und Herrn Roth stand im Mittelpunkt einer mehrtägigen Studienexkursion nach Berlin. Dabei konzentrierten wir uns auf die Themenkomplexe „Politik im öffentlichen Raum“ und „(Protest gegen) Gentrifizierung“. Ziel war es, „im Feld“ nicht nur ständige Zeichen, beispielweise an Gebäuden oder Denkmälern zu finden und analytisch zu betrachten, sondern auch, sich wandelnde und temporäre Zeichen.
Für die Tour zum Thema „Politik im öffentlichen Raum“ hatte die zuständige Gruppe Berlin Mitte als Untersuchungsfeld ausgewählt. Der Fokus dieses Rundgangs legte einen Start am Reichstag nahe. Im Verlauf der Tour setzten wir uns unter anderem mit dem Brandenburger Tor, dem Gendarmenmarkt und schließlich dem Stadtschloss auseinander. Der erste Rundgang führte also vorbei an geschichtsträchtigen und imposanten Gebäuden. Trotz der Beständigkeit, für die diese Gebäude unter anderem stehen, entdeckten wir auch hier sich ständig wandelnde Zeichen und eine bewegte
Umgebung, die die ganz spezifische Semiotik dieser Gebäude und Orte begründet. In unseren Gruppendiskussionen vor Ort versuchten wir diese Zeichenordnungen zu analysieren und zu beschreiben.
Am Tag darauf beschäftigten wir uns mit dem Thema Gentrifizierung, aufgeteilt in zwei Gruppen – einmal mit dem Fokus auf aktuelle und ehemalige Hausbesetzungen und danach auf Formen der Gentrifizierung selbst anhand verschiedenster Beispiele. Dabei erkundeten wir vor allem den Stadtteil Kreuzberg, da dieser seit längerem von (Konflikten um) Gentrifizierung besonders stark betroffen ist und uns somit genug Material und Schauplätze liefert. Auch bei der Arbeit an diesen beiden Stadtrundgängen folgten wir dem Schema, im Vorfeld ausgesuchte Orte zu
besichtigen und mit Blick auf vorhandene semiotische Ressourcen - von Bannern bis Graffiti, von Farbüberresten an Häuserwänden bis Stickern und Plakaten an Laternen – möglichst umfänglich analytisch und interpretativ zu erfassen. Neben der reinen Erfassung des öffentlichen Raums im Sinne des „Linguistic Landscapes“-Ansatzes versuchten wir uns auch in anderen ethnomethodologischen Zugängen, etwa im Falle eines Gesprächs mit der Angestellten einer Buchhandlung, die kürzlich knapp der Schließung im Zuge des Gentrifizierungsprozesses entgangen ist und damit auch für Aufmerksamkeit im medialen Diskurs gesorgt hatte.
Sowohl „Gentrifizierung“ als auch „Politik im öffentlichen Raum“ sind dynamische Prozesse, die man unmöglich aus dem Seminarraum heraus beobachten kann. Viele Zeichen und Symbole lassen sich eben doch nicht im Internet recherchieren und auch der Austausch mit Ortsansässigen ist so kaum möglich. Aus diesem Grund sind Feldforschung und damit das Aufsuchen der jeweiligen Plätze unabdingbar. An jeder unserer Stationen auf den an beiden Tagen jeweils gut 15 km langen Begehungstouren entstanden oft ausführliche Diskussionen rund um die angemessene Interpretation der vor Ort aufgefundenen sprachlichen und nicht-sprachlichen Zeichen und der diskursiven Bezüge, in denen sie stehen.
In den verbleibenden Wochen des Semesters wird es nun darum gehen, zu texten und so das Erarbeitete tatsächlich in die Form linguistischer Stadtrundgänge zu bringen, die dann in der „Stadtsprachen-App“ (kostenlos verfügbar unter diesem Namen in allen gängigen App-Stores!) veröffentlicht werden.
Möchten Sie sich also das nächste Mal, wenn Sie in Berlin sind, nicht nur mit den altbekannten Sehenswürdigkeiten und touristischen Informationen zufriedengeben? Dann empfehlen wir Ihnen wärmstens unsere Stadtrundgänge als Alternativprogramm in Erwägung zu ziehen.
Politolinguistisches Nachwuchskolloquium der AG Sprache in der Politik: Programm und Einladung
Die AG Sprache in der Politik veranstaltet am 07.10.22 an der Universität Marburg ein Nachwuchskolloquium für Doktorand:innen, die eine Dissertation im Themenbereich Politolinguistik verfassen bzw. deren Forschungsgegenstand auch in benachbarten Disziplinen die politische Sprache und Kommunikation darstellt. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, ihre eigenen Forschungsprojekte und -methoden vorzustellen und sich darüber fachlich auszutauschen.
Das Programm findet sich hier. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Eine Anmeldung per Mail an hanna.voelker@uni-marburg.de ist bis zum 09.09.2022 möglich.
Projekt „Sexismus-Lots*innen“ der Arbeitsstelle für linguistische Gesellschaftsforschung
Zwischen Oktober 2021 und September 2022 fördert das zentrale Büro für Gleichstellung der OvGU ein Projekt der AlGf zum Thema Sexismus in universitären Kontexten. Unter dem Titel „Sexismus-Lots*innen“ entwickelt die Arbeitsstelle unter Federführung von Dr. Kristin Kuck, Arbeitsstelle für linguistische Gesellschaftsforschung, und in Zusammenarbeit mit der Germanistik-Fachschaft ein Workshop-Konzept zur Sexismus-Sensibilisierung speziell für Studierende. In regelmäßigen Abständen wird in Zukunft über Fachschaften ein Peer-to-Peer-Workshop angeboten, den Studierende aller Fachrichtungen besuchen können, und in dem sie lernen, sexistische Kommunikation zu erkennen, einzuordnen und auch damit umzugehen oder einzugreifen. Die Förderung läuft ein Jahr lang. Das Projekt entwickelt und aktualisiert einen Leitfaden für Fachschaftsvertreter*innen, die selbst Workshops anbieten, schult diese in speziellen Trainer*innen-Workshops und evaluiert die laufenden Peer-to-Peer-Workshops.
Das Projekt geht in die nächste Runde
Nachdem bereits im Februar diesen Jahres die Trainer*innen für den Sexismus-Lots*innen Peer-to-Peer Workshop ausgebildet wurden, startet dieser nun öffentlich für die gesamte Studierendenschaft der OvGU. Am 10. Juni veranstaltet die Germanistik Fachschaft auf dem Campus der FHW den ersten Peer-to-Peer Workshop und lädt Interessierte ein, sich für diesen anzumelden. In dem Workshop werden die theoretischen Grundlagen von Sexismus, dessen Arten sowie Äußerungsformen vermittelt. Überdies werden exemplarisch sexistische Situationen an der Universität präsentiert und diskutiert. Praktische Übungen sollen den Teilnehmer*innen ermöglichen, einen Umgang mit Sexismus an der OvGU zu finden und auf diesen zu reagieren.
++Achtung Terminverschiebung++
Der ursprünglich im Juni geplante Termin für den Peer-to-Peer-Workshop wurde auf den 07.09.2022 verschoben!
Anmeldungen für den Workshop am 07.09.22 können bis zum 31.08.2022 an die Trainer*innen der Germanistik-Fachschaft unter gefa@fasrafhw.de geschickt werden.
Rückblick
Das Projekt "Sexismus-Lots*innen" der Arbeitsstelle für linguistische Gesellschaftsforschung konnte durch Ihre Teilnahme an der Umfrage eine Reihe an Erfahrungsberichten zu Betroffenheit von Sexismus an der Universität gesammelt, für die wir Ihnen sehr dankbar sind. Ausgewählte Berichte werden in den kommenden Workshops beispielhafte Grundlagen für Sexismus an der Universität bilden.
Die Umfrage ist seit dem 30.11.2021 abgeschlossen. Es haben über 950 Personen an der Umfrage teilgenommen.
Im Februar 2022 haben sich verschiedene Vertreter*innen der Fachschaftsräte und Fachreferate der Universität zu Sexismus-Lots*innen ausbilden lassen. Der zweitägige Workshop ermöglichte den studentischen Vertretungen verschiedener Fakultäten einen Einblick in die Entstehung und Ausübung von sexistischen Situationen an der Universität. Grundlage dieser Einblicke bildet eine exemplarisch durchgeführte Umfrage, bei der Studierende und Mitarbeitende der OvGU von sexistischen Situationen berichtet haben. Ziel dieses Workshops war es, eine erste Generation an Trainer*innen für kommende Peer-to-Peer Workshops auszubilden, um generell stärker für Sexismus an der Universität zu sensibilisieren. Ein weiterer Train-the-Trainer Workshop, wie der im Februar ist geplant.
Bevorstehende Termine:
„Peer-to-Peer“-Workshop für Student*innen der Otto-von-Guericke-Universität:
- Blockworkshop: 07.09.2022, 09:30-17:00 Uhr
- Um sich für den Workshop anzumelden, schreiben Sie bitte eine Mail an: gefa@fasrafhw.de
Sprache im Krieg
Prof. Dr. Kersten Roth und Dr. Kristin Kuck, Leiter und Co-Leiterin der AlGf, gaben vergangene Woche in drei Interviews in Presse und Rundfunk Auskunft über den Ukraine-Krieg aus Sicht der linguistischen Gesellschaftsforschung:
Studierende des Seminars "Journalistische Onlinemedien" veröffentlichen in Magdeburger Volksstimme
Auch in diesem Wintersemester hatten Studierende wieder die Möglichkeit, im Rahmen des Medienpraxis-Programms der Germanistischen Linguistik Praxiserfahrung zu sammeln. In diesem Winter sind im Seminar "Journalistische Onlinemedien" Features zusammen mit dem Kooperationspartner "Magdeburger Volksstimme" entstanden. Die fünf Studentinnen wurden von dem Reporter Massimo Rogacki bei ihrer Arbeit angeleitet: Er brachte ihnen angefangen bei der Themensuche über die Recherche und Interviewführung mit verschiedenen ExpertInnen bis hin zur Endredaktion das Handwerk des Reporters nahe. Die Artikel werden nun nach und nach veröffentlicht.
Sprachlandschaften aus laienlinguistischer und linguistischer Sicht - 4. November 2021
Seit nunmehr über 30 Jahren setzt sich die Arbeitsstelle Niederdeutsch auf wissenschaftlicher Grundlage in Sachsen-Anhalt für den Erhalt und die Förderung der regionalen niederdeutschen Varietäten ein. Dies war und ist ohne die Zusammenarbeit mit Niederdeutsch Sprechenden, Hörenden und überhaupt „Plattinteressierten“ dieses Landes nicht möglich. Dabei sind die Regionalsprache wie auch die Einstellungen zu ihr historischem Wandel, politischem Willen, Modeerscheinungen und vielem anderen unterworfen. In welchem Zustand befindet sich also diese Sprache gegenwärtig, wie hat sich ihr Gebrauch verändert und welche Einstellungen zum Niederdeutschen gibt es in der Öffentlichkeit? Zeigen sich Ergebnisse der sprachpolitischen Bemühungen der letzten Jahre? Die Arbeitsstelle Niederdeutsch lädt dazu ein, laienlinguistische und linguistische Ansichten zueinander in Bezug zu setzen, neue Tendenzen und Erkenntnisse der Forschung zu präsentieren sowie Einblick zu nehmen in eine mögliche Zukunft der niederdeutschen Sprache in Sachsen-Anhalt.